Dark Village - Das Böse vergisst nie
Dunkelheit.
Nick anzeigen!
Sie ballte die Fäuste, dass es wehtat.
Die vergangenen fünf Minuten hatte Benedicte mit mehr oder weniger tränenerstickter Stimme von ihren Erlebnissen mit Nick berichtet: Sie hatten geknutscht. Als sie ihn nicht weiter rangelassen hatte, hatte er sie unter Druck gesetzt. Er hatte sie aufs Bett gestoßen und sie angegrapscht. Er hatte gedroht, sie zu verprügeln, wenn sie nicht stillhielte. Er hatte versucht, sie zu vergewaltigen, aber sie hatte in letzter Sekunde entkommen können.
Vilde, Trine und Nora warfen sich von Anfang an zweifelnde Blicke zu und wurden immer misstrauischer, je länger Benedicte erzählte.
Sie dramatisierte und schmückte ihre Geschichte derart aus, dass es beinahe lächerlich war. Benedicte war schlicht und einfach eine schlechte Schauspielerin. Am unglaublichsten war aber, dass sie es selbst nicht merkte.
Eigentlich hätte Nora wütend werden müssen, sie hätte auf den Tisch hauen und sagen müssen:
Wie kannst du nur so eine schreckliche Lüge erfinden? Begreifst du nicht, wie schwerwiegend das ist?
Und an einem anderen Tag hätten sie das womöglich auch getan. Und wenn nicht sie, dann Trine und ganz sicher Vilde.
Aber heute … Es war ein besonderer Tag gewesen, so wie die letzten zwei Tage auch. Vilde wollte einfach nur diesem guten, spannenden, warmen Gefühl in sich nachspüren. Sie hatte keine Lust, ihre Energie für einen Streit mit Benedicte zu verplempern. Mehr als ein „Na, dann zeig ihn halt an“ brachte sie nicht über die Lippen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Benedicte wirklich zur Polizei gehen würde mit ihrer Lügengeschichte.
Wenn er wirklich versucht hat, dich zu vergewaltigen, dann musst du ihn natürlich anzeigen. Wenn du solche Angst hattest, wie du behauptest, wenn er so brutal und schrecklich war, wie du sagst, dann musst du auf jeden Fall zur Polizei gehen!
„Tja, hm“, murmelte Benedicte. „Das ginge wohl. Aber mir ist ja nichts passiert, oder? Er hat es nicht geschafft, richtig?“
„Das nächste Mädchen, das er in die Finger kriegt, hat vielleicht nicht so viel Glück“, warf Vilde ein.
Nora und Trine sahen sie an.
Lass gut sein,
sagten ihre Blicke.
Vilde beachtete sie nicht. „Vielleicht wird es dann eine Art
Daterape.
Das ist ein Riesenproblem.“
„Tja“, machte Benedicte wieder.
Vilde blies Rauch aus dem Fenster. Sie lächelte. „Oder war es vielleicht doch nicht so schlimm, wie du gesagt hast?“
„Nicht so schlimm?“ Benedicte richtete sich auf dem Sofa auf. „Was willst du damit sagen?“
„Ich meine nur, wenn du die Sache gar nicht weiterverfolgen willst.“
„Und wie schlimm das war!“ Benedicte sah total schockiert aus. „Der Typ hätte mich beinah vergewaltigt! Ich hab einfach nur Glück gehabt! HAST DU MIR NICHT ZUGEHÖRT, ODER WAS?“
„He, he, he!“ Vilde hob abwehrend die Hände. „Ruhig, mein Brauner.“
„Ich zeig ihn an“, zischte Benedicte. „Verdammte Scheiße. Und wie ich den anzeige!“
Völlig ungläubig schaute Nora von einer zur anderen. Was ging hier vor sich? Wie konnte aus
schlimm
so schnell
total schrecklich
werden? Wenn Benedicte zur Polizei ging, konnte Nick ernsthaft Probleme bekommen – wo er doch Pflegekind war. Was dachte sich Vilde denn dabei? Und Benedicte … jetzt musste sie aber endlich mal einen Punkt machen!
„Hört auf!“ Nora schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
Die anderen zuckten zusammen. Vilde fiel fast die Zigarette aus dem Fenster. Nora beugte sich vor – eine Bewegung, die für ihre Verhältnisse ziemlich wütend und aggressiv wirkte.
„Es reicht!“ Sie schlug wieder auf den Tisch.
„Holla die Waldfee“, sagte Trine.
„Das ist eine ernste Angelegenheit“, fuhr Nora fort.
„Was ist denn jetzt in dich gefahren?“, fragte Benedicte.
„Ihr sprecht darüber, als wäre das alles nur ein Kinderspiel!“
„Also wirklich“, wehrte Vilde ab.
„Damit ist nicht zu spaßen!“
„Er hätte mich vergewaltigen können“, sagte Benedicte.
„Wir haben es gehört“, zischte Nora.
„Komm mal wieder runter“, sagte Trine.
„SIE muss mal wieder runterkommen.“ Nora zeigte auf Benedicte.
„Er hat versucht, mich zu vergewaltigen“, sagte Benedicte. „Echt jetzt. Nick hat es versucht. Das schwör ich euch!“
Es wurde still.
Das schwör ich euch …
Jetzt war es in jedem Fall zu spät, sie beim Lügen zu entlarven. Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt. Sie hatte einen Schwur geleistet. Vor ihren besten
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