Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
vielleicht hat er sie inzwischen verbrannt.“
„Wenn das alles so ein Zufall war“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe, „und wenn er so in Panik war, warum gibt es dann nicht mehr Spuren? Auf der Folie, zum Beispiel. Warum waren an der Innenseite der Plastikplane keine Fingerabdrücke?“
Der Ermittlungsleiter zuckte die Achseln. „Er hat sie wohl erst abgespült. So hätte ich es jedenfalls gemacht. Panik hin oder her.“
„Und was ist mit …“ Lena Kristine Sigvardsen Moe protestierte automatisch, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen wollte. Sie musste innehalten und überlegen. „Den Handys“, sagte sie. „Was ist damit?“
„Ja. Was ist damit?“ Der Ermittlungsleiter verschränkte die Arme vor der Brust.
„Sie sind weg“, fuhr sie fort. „Das Handy von Viksveen und von Trine. Wenn es ein Unfall war, warum macht sich jemand dann die Mühe, die Handys verschwinden zu lassen?
„Dafür gibt es zahlreiche Gründe.“
„Welche zum Beispiel?“
„Vielleicht, um auf der sicheren Seite zu sein. Um eine Verabredung zu vertuschen, eine Beziehung, eine Geschichte. Nicht unbedingt, um einen Mord zu verschleiern. Und wir wissen ja auch so, welche Nummern sie in den vergangenen Monaten angerufen haben. Das hat uns aber auch nicht weitergebracht. Es ist wohl wahrscheinlich, dass sie sich übers Internet verabredet haben.“
„Ich glaube trotzdem immer noch keine Sekunde daran“, sagte Lena Kristine Sigvardsen Moe. „Trines Tod war bestimmt kein Unfall.“
„Na ja.“ Der Ermittlungsleiter lächelte herablassend. „Natürlich ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass beide, Lehrerin und Schülerin, im Laufe von ein paar Tagen als Folge eines Unfalls gestorben sind. Aber dennoch ist es eine technische Möglichkeit. Worauf ich hinauswill: Wir können aufgrund mangelnder Ermittlungsergebnisse nichts ausschließen.“
Er ließ den Blick durch den Raum wandern. Sein Lächeln war wie weggeblasen, sein Mund war schmal und hart, nur noch ein Strich. Er sprach, ohne die Stimme zu heben, beinahe unnatürlich leise, trotzdem entgingen seine Worte niemandem.
„Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Die erste Woche ist vorbei, und unsere langjährigen Erfahrungen haben gezeigt, dass es mit jedem weiteren Tag, der vergeht, ungewisser wird, dass wir den Mörder finden. Die Zeit ist auf seiner Seite, nicht auf unserer. Denkt daran. Spuren verwittern, sie nutzen sich ab, äußerlich und in der Erinnerung der Leute. Wir stehen unter Zeitdruck! Wir müssen herausfinden, wen Trine im Wald treffen wollte. Holt ihre drei Freundinnen her. Die müssen doch irgendetwas wissen, jedenfalls mehr, als sie uns bisher gesagt haben. Wir vernehmen sie hier auf der Wache, das unterstreicht die Wichtigkeit. Und Sie …“, er zeigte auf Lena Kristine Sigvardsen Moe, „Sie halten sich da raus.“
4
„Was … wie …“, murmelte Nora.
„Willst du uns verarschen?“, sagte Vilde. „Woher hast du das denn?“
„Ich habe es gesehen.“ Benedicte nahm ihre Sonnenbrille ab. „Auf Video. Nick ist gefilmt worden.“
„Es gibt ein Video?“ Vilde spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Mit einem Schlag wurde ihr eiskalt. Sie wechselte einen Blick mit Nora. Außer ihnen beiden und Nick wusste doch niemand, dass Nick die Lehrerin geschubst hatte, sie gefallen und mit dem Kopf auf den Glastisch geknallt war … Dass Vilde dort gewesen war, weil Synnøve Viksveen gedroht hatte, publik zu machen, was sie im Wald beobachtet hatte – Trine und Vilde in heißer Umarmung! Nick und Vilde hatten Nora alles erzählt, aber niemandem sonst. Wie konnte es sein, dass Benedicte das Ganze auf Video gesehen hatte?
„Soll das ein Scherz sein?“, flüsterte Vilde.
„Nein.“ Benedicte schüttelte den Kopf. „Er hat sie geschubst. Dann ist sie hingefallen, ja und dann, ich bin mir nicht sicher, aber … sie hat sich wohl verletzt.“
„Nein“, flüsterte Nora.
„Shit!“ , zischte Vilde. Sie ballte die Fäuste und umklammerte das Feuerzeug, dass es wehtat. Wenn Benedicte das alles auf Video gesehen hat – dann weiß sie auch von mir, wie ich halb nackt im Wohnzimmer stand! Benedicte ist über alles im Bilde und macht uns hier was vor!
Der Kloß in Vildes Hals wurde immer dicker. Warum musste sie das jetzt einholen? Warum war es nicht endlich vorbei? Warum musste sie wieder und wieder da durch?
Ich kann nicht mehr! Scheiß auf die ganze Geschichte! Wie am Tag zuvor auf dem Friedhof drehte sie sich einfach um und ging. Aber
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