Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
Temperatur – sie hatte gerade mal 38 Grad – und schaute ihr in den Rachen.
„Das wird wieder“, sagte er schließlich und lächelte. „Dir geht’s ja schon viel besser als letztes Mal. Das Fieber ist fast weg. In ein paar Tagen kannst du bestimmt wieder in die Schule gehen.“
„Mmmm.“ Eline zog die Decke hoch.
Werner zupfte Doktor Wolff am Ärmel. „Können wir …“, er machte eine Geste mit dem Kopf, „draußen?“
„Natürlich.“ Wolff spürte einen Anflug von Ungeduld und Irritation. „Tschüss!“ Er winkte Eline. Sie nickte wachsam zurück.
Was zur Hölle war mit diesem Kind? Wolff griff nach seiner Tasche. Warum starrte sie ihn so an? Er hatte ihr doch nichts getan!
Sie gingen in den Flur. Werner schloss die Tür zu Elines Zimmer und blieb davor stehen, um mit Wolff zu reden, doch der lief weiter zur Treppe und nach unten. Werner eilte hinterher.
„Warten Sie“, sagte er mit eindringlicher, leiser Stimme. „Was haben Sie für einen Eindruck? Was ist mir ihr?“
Mitten auf der Treppe drehte Wolff sich um. Er hatte einen heißen Kopf. Wie dieser Mann ihn nervte!
„Was soll mit ihr sein?“
„Ja, was …“
„Es ist nichts.“
„Aber sie …“
„Sie ist erkältet, habe ich gesagt!“ Wolff schüttelte den Kopf und polterte die letzten Stufen herunter.
Werner folgte ihm, so schnell er konnte. Der Arzt besann sich und blieb im Hausflur stehen.
„Hören Sie mir mal zu, Werner“, sagte er. „Sie machen sich zu viele Sorgen. Ich weiß nicht, was Eline Ihrer Ansicht nach versteht oder … Ja, also, ich gebe gerne zu, dass sie vielleichtein bisschen speziell ist. Äußerlich jedenfalls. Aber soweit ich beurteilen kann, fehlt ihr nichts.“
„Sie haben sie ja kaum angesehen“, wandte Werner ein. „Kann man das nicht irgendwie testen?“
„Testen?“
„Ja, irgendwie gründlicher, irgendwie richtig.“
„Halt. Stopp.“ Wolff hob die Hand. „Wenn wir das weiter verfolgen wollen, dann müssen wir andere hinzuziehen. Ich bin nicht mehr Ihr behandelnder Hausarzt. Als ich im Krankenhaus angefangen habe, wurde Ihnen Isachsen zugeteilt.“
„Ich dachte, es gäbe eine … eine … Zwischenlösung“, sagte Werner. „Ein gleitender Übergang, hat Doktor Isachsen gesagt.“
„Ja, das stimmt“, erwiderte Wolff. „Aber diese Zwischenlösung ist in dem Fall nicht mehr gültig. Ab jetzt ist es besser, Sie rufen Isachsen an.“
„Wahrscheinlich haben Sie viel zu tun“, sagte Werner. „Mit dem Mord.“
„Ich helfe der Polizei, wo ich nur kann. Aber ganz ehrlich – es hat nicht den Anschein, als würde Eline medizinisch auch nur das Geringste fehlen. So wie es aussieht, hat sie einfach eine schwere Erkältung gehabt. Es gibt keinen Grund zur Sorge.“
„Wir können keinen Test machen?“
„Also …“
„Und wenn ich darauf bestehe?“
„Ja, natürlich.“ Wolff seufzte. „Wenn Sie derart beunruhigt sind und meinen, dass es unbedingt sein muss, können wir im Krankenhaus ein paar Tests durchführen. Ich oder Isachsen.“
„Was für Tests?“
„Tja, das ist die Frage. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht.“ Wolff schaute auf die Uhr. „Vielleicht gucken wir mal in Richtung Epilepsie, um herauszufinden, ob die elektrischen Impulse in ihrem Gehirn normal funktionieren.“
„Epilepsie?“, fragte Werner. „Sie hat doch gar keine Anfälle oder so.“
„Nein, das verstehe ich schon. Ich meine ja auch nicht, dass sie Epilepsie hat, aber vielleicht einen ähnlichen Zustand. Ungewöhnliche Hirnaktivität. Es gibt zum Beispiel etwas, das wir Schlafterror nennen. Im Schlaf erleben die Leute Dinge, die sie dann für real halten, sie können sogar hellwach wirken, obwohl sie tief schlafen.“ Wolff zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht. Vielleicht etwas in der Art.“
„Schlafterror?“ Jetzt klang Werner wirklich besorgt.
„Das ist nicht schlimm“, sagte Wolff . „Das kommt bei maximal zwei bis sechs Prozent aller Kinder vor und verschwindet auch bei fast allen mit der Zeit. Man kann das herausfinden, indem man im Schlaf die Hirnströme misst. Aber …“ Er sah noch einmal demonstrativ auf die Uhr. „Ich muss jetzt wirklich los. Und streng genommen müssten Sie die Sache mit Isachsen besprechen, wissen Sie.“
„Na dann“, sagte Werner. Er deutete eine Verbeugung an. „Danke, dass Sie gekommen sind, Doktor.“
„Kein Problem.“
Wolff ging über den Hof zu seinem Auto. Er schaute zu Werner hinauf, der immer noch in der Haustür stand. Er suchte
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