Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
wirkte.
Die Reporter vor der Schule. Hallo, du warst doch bei ihr in der Klasse, oder?
Panische Eltern. Sei vorsichtig!
Die Fernsehnachrichten. Zeitungen. Die Polizei!
Die Beamten hatte sie befragt und Trines Zimmer versiegelt. Jeden Millimeter hatten sie unter die Lupe genommen, jedes Stück Papier gelesen, jedes Kleidungsstück auf DNA untersucht.
Als Benedicte, Vilde und Nora davon erfahren hatten, war es ihnen kalt den Rücken runtergelaufen: Was hatten sie in Trines Zimmer gefunden? Lauter alten Kram von früher? Irgendwas Schlimmes oder Peinliches, das wir besser nicht getan hätten?
Aber auch darüber hatten sie nicht gesprochen. Eigentlich hatten sie überhaupt nicht miteinander geredetet, bis Benedicte auf dem Schulhof gesagt hatte: „Ich weiß, wer es getan hat.“
Und jetzt saßen sie zusammen und Benedicte wiederholte noch einmal: „Ich glaube, ich weiß, wer es getan hat. Ja, ich weiß es. Ich bin mir sicher. Ja, ich weiß auch, wer Synnøve Viksveen umgebracht hat.“
Und dann erzählte sie von Wolfman. Und von Nick und der Viksveen und dem Film. Dass sie dazu gezwungen worden war, in der Schule die DVD mit dem Video in Nicks Rucksack zu schmuggeln. Dass Wolfman ihr gedroht hatte. Falls sie ihn verriet, würde er eine ihrer Freundinnen töten …
7
„Sie ist in ihrem Zimmer“, sagte Werner. „Hier oben.“ Er winkte Wolfman die Treppe hinauf.
Die Stufen quietschten bei jedem Schritt. Oben roch es besser und heller war es auch. An den Wänden klebte eine blassblaue Blümchentapete und ein paar große Fenster ließen die Abendsonne herein. Wolfman war überrascht. Er war noch nie im ersten Stock gewesen.
„Danke, dass Sie es einrichten konnten“, sagte Werner. Seine Hände bewegten sich nervös. Er leckte sich die Lippen. „Ich weiß nicht recht“, sagte er. „Es scheint ihr ja besser zu gehen, aber …“
Wolfman seufzte. „Wo ist sie?“
„In ihrem Zimmer.“ Werner machte mit der einen Hand eine unbestimmte Geste.
„Bringen Sie mich zu ihr“, sagte Wolfman.
„Ja. Ja. Natürlich.“
Werner ging voran. Sie kamen an einer offenen Tür vorbei. Wolfman warf einen Blick in den Raum. Es war ein kleines, einfaches Zimmer, nur ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl. Die Wände waren weiß gestrichen und aus dem Fenster konnte man über die grünen Felder des Nachbarhofs schauen.
Auf dem Bett saß ein Junge mit Kopfhörern in den Ohren. Er war groß und dünn und dunkelhaarig – gut aussehend auf eine natürliche, lässige Art. Als bräuchte er nichts dafür zu tun.
Wolfman spürte einen Stich von Eifersucht. Er wusste, wer das war. Nick. Synnøve Viksveens Nick. Du bist das also … Mit dir hat sie also geschlafen. Auf dich war sie so unglaublich scharf, dass sie dich unbedingt nachholen musste, als sie hergezogen ist.
Der Junge sah auf und begegnete seinem Blick. Seine Augen waren abgründig und braun – und misstrauisch. Wolfman stutzte. Für einen Moment stockten seine Gedanken, er spürte eine Spannung in der Luft. Wusste Nick was?
Nein. Wolfman schüttelte den Gedanken ab. Wieso sollte er? Er war nur ein Junge, ein kleiner Dieb, ein Idiot, der Benedicte beinahe vergewaltigt hatte.
Fuck you, pretty boy. Ich kann dich kaputt machen! Wenn’s sein muss mit gefesselten Händen.
Dann war der Augenblick vorüber. Er war an der offenen Tür vorbei, und er hörte Werner etwas sagen, das er nicht ganz mitbekam.
„Wie bitte?“
„Hier ist es“, sagte Werner und zeigte auf eine angelehnte Tür. „Das ist Elines Zimmer.“
„Okay.“ Wolfman nickte und nahm seine Tasche in die andere Hand. Werner klopfte an die Tür und öffnete sie, ohne eine Antwort abzuwarten.
„Eline, wie geht es dir?“
Sie saß im Bett, die Decke bis zum Bauch hochgezogen, und las ein Buch. Sie sah blass aus und wirkte schwach, aber ihre Augen waren hellwach.
Das Licht aus dem Flur zeichnete die Schatten der beiden Männer auf ihr Bett. Eline kauerte sich beinahe unmerklich zusammen. Ihr Hals schien kürzer zu werden, ihr Kopf sank auf die Brust, die Schultern krümmten sich nach vorn. Ihre Lippen öffneten sich, als wollte sie etwas sagen, aber sie gab keinen Laut von sich.
Werner setzte sich auf die Bettkante. Er streichelte ihr vorsichtig über die Schulter und merkte durch das dünne Nachthemd, wie sie eine Gänsehaut bekam.
Wie ein kleiner elektrischer Schlag breitete sich Spannung und eine Art Erwartung in Wolfman aus.
„Schau mal.“ Werner warf lächelnd einen Blick über die Schulter und
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