Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
flüsterte Vilde.
„I’ll get help“, sagte Charlene.
Sie stützte sich mit der Hand am Boden ab und rappelte sich auf. Vildes Finger krallten sich um ihr Handgelenk. „No … geh nicht!“
„I’ll get help. I’ll get your mom.“
„No“, wisperte Vilde. „Nicht. Nicht Mama.“
„But …“
„No!“
„Vilde, Vilde. Listen to me!“
„Nicht Mama.“
„But why? What happened? Who did this to you?“
„Nobody.“ Vilde versuchte, den Kopf zu schütteln.
„You’ve been cut. Vilde! Who did it?“
„Ich! Ich habe es gemacht.“
„Du?“
„Ja. Nur ich. I did this. Don’t get Mama, please! Don’t.“
Charlene sank wieder zu Boden und flüsterte: „You did this yourself?“ Und als Vilde zu weinen begann, nahm sie ihren Kopf auf den Schoß und strich ihr über die Wangen und sang leise: „Hush little baby, don’t you cry …“
Es regnete immer stärker, die Tropfen trommelten gegen die Fenster und auf das Dach. Vilde drückte den Kopf an Charlenes Bauch. Sie waren einander näher als je zuvor. Charlene spürte eine deutliche und heftige Spannung im ganzen Körper. Sie knisterte das Taubheitsgefühl, das der Schock hinterlassen hatte, einfach weg. Es war wie eine Sternschnuppe an einem grauen vernebelten Abend gewesen.
Und jetzt, ein paar Tage später, saßen sie zusammen bei Burger King. Charlene dachte, dass sie etwas unternehmen musste. Zwar hatte sie Vildes Versprechen, dass sie so etwas nie wieder tun würde. Aber Vildes Versprechen war zurzeit nicht besonders viel wert.
Ich muss was unternehmen , dachte Charlene, während sie Vilde über ihren Milkshake hinweg ansah. Denn es ist ganz sicher meine Schuld .
3
„Ich habe wirklich keinen Bock mehr auf die Schule“, sagte Vilde.
„What?“ Charlene schüttelte ihren Milkshake-Becher. Er war leer.
„School“, sagte Vilde. „Ich hab keinen Bock mehr drauf. I don’t want to.“
„Take a couple of days off, then. Your mother would understand. Everybody would understand. Don’t push yourself too hard.“
„It’s not that.“
„No?“
„You don’t understand. Ich will nicht mehr, keinen Tag länger. Ich muss kotzen, wenn ich nur dran denke.“
„Well …“
„Ich will da nicht mehr hin. Ich will hier weg. I want to go away. Out of this place.“
„Vilde. You know, it’s just natural …“
„Ich meine es ernst“, sagte Vilde eindringlich. „Ich fühle mich so abartig lost . Ich schaffe das nicht mehr. Ich gehöre hier nicht mehr hin. Not anymore.“
Charlenes Blick wurde weich. Sie griff nach Vildes Hand und hielt sie fest. Vilde fuhr zusammen und zog die Hand zurück, aber nur so weit, dass sich ihre Finger noch berühren konnten. Charlene räusperte sich.
„I don’t know what to say, honey. I mean, you have to go to school, you have no choice. You can take a week or two off, I’m sure, but sooner or later you have to go back to school. There is nothing anybody can do about that. That’s just the way it is.“
„Ich weiß, aber …“ Vilde zuckte die Schultern.
Charlene sah, dass Vilde einfach abschaltete. Beiläufig zog sie die Hand weg, um sich zu strecken.
Ich höre mich an wie all die anderen Erwachsenen , dachte Charlene. So total vernünftig. Ja, ja, mein Kind, das geht vorbei. Ich erreiche sie nicht. Sie will etwas ganz anderes von mir hören. So ein Gerede kann sie nicht gebrauchen .
„So“, startet sie einen neuen Versuch. „How about … you know, stuff?“
„Stuff?“, fragte Vilde.
„Well, yeah“, sagte Charlene. „Friends? Benedicte and Nora? Ick waiss nickt … Dschungs?“
„Junkies?“
„Boys.“
„Nee. Kein Thema.“
„You told me about a boy once. What was his name? Nick?“
„Du, vergiss es. Nick ist mit Nora zusammen. Sie sind ein Paar.“
„Aha“, sagte Charlene, als ob es eine Weltneuigkeit wäre, dass Nick und Nora zusammen waren.
„Ich bin nicht in Nick verknallt“, sagte Vilde. „Vergiss es einfach.“
„Okay. But the two of you are … Freunde? Du and Nick?
„Ja. Irgendwie schon.“
„It’s not all bad, then. You’ve got friends. You’ve got people who care, you …“
„Ich hab keinen Bock auf Leute!“
„Ja“, sagte Charlene. „I see.“
Es wurde still. Vilde drehte ihren Becher zwischen den Fingern. Eine Familie nahm den Tisch nebenan in Beschlag. Zwei Erwachsene, drei Kinder. Das älteste Kind war höchstens sechs Jahre alt, schätzte Vilde. Von der ersten Sekunde an machten sie einen Höllenlärm.
Es war, als hätte der
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