Darken 2 - Für immer und ewig (German Edition)
weiter in seinem Versteck. Längst hatte er damit begonnen, vollkommen unabhängig von anderen zu leben, sah man von seinen Reisen durchs Land ab, bei denen er sich mit Schriftrollen versorgte, die er immer irgendwie auftreiben konnte, fast so, als habe es sich herumgesprochen, sie seien bei ihm vor den Eroberern sicher.
S eine Familie hatte ihm seinen feigen Fortgang nie verziehen. Ténoch hatte aber ohnehin kein Interesse mehr an einer Rückkehr. Dass er untergetaucht war, rettete ihm das Leben, denn so blieb er von der verheerenden Pockenepidemie verschont, die 60 Prozent der Einwohner von Tenochtitlán, dem späteren Mexiko Stadt, dahinraffte. Aus seiner selbst gewählten Isolation heraus erlebte er auch, wie 1525 der letzte aztekische Herrscher hingerichtet wurde und die Spanier endgültig die Herrschaft über das Land übernahmen.
Ténoch kümmerte das wenig. Solange man ihn in Ruhe ließ, konnte er sich mit den geheimnisvollen Schriften der alten Rollen befassen. Er hatte sie auf seinen Wanderungen aus allen Teilen des Landes zusammengetragen und versuchte, sie vor den Spaniern zu retten, die behaupteten, sie enthielten nichts als Lügen.
Ténoch spürte, wie die alte Bitterkeit wieder in ihm aufstieg. Natürlich mussten sie das sagen, verstanden sie sie doch nicht zu lesen. Selbst ihm, einem Sohn des Landes, war es in manchen Fällen nicht mehr möglich, die alten Symbole zu entziffern. Seine aztekischen Vorfahren hatten eine Schrift entwickelt, die voller Bildsymbole war, aber im Laufe der Jahrhunderte hatten sich die Bilder verändert, waren sie durch hieroglyphenartige Zeichen und Silbenzeichen ergänzt worden.
Ténoch erinnerte sich, dass er immer sicher gewesen war, ein Leben würde nicht ausreichen, sie alle zu studieren, sie zu verstehen, die vergessene Weisheit seiner Vorfahren ans Licht zurückzuholen.
Eines Tage s stand Darken wieder vor ihm und innerhalb kürzester Zeit waren sie bei ihrem gemeinsamen Thema „Schriften“ angekommen. Ténoch hatte inzwischen den Verdacht, dass es kein Zufall mehr sein konnte, wie gezielt Menschen mit ihrer kostbaren Fracht – durchweg seltene und wichtige Schriftrollen, manchmal sogar aus fremden Ländern – den Weg zu ihm fanden und ihm voller Vertrauen und als sei dies das Selbstverständlichste der Welt, die Kostbarkeiten für seine Studien überließen.
Darken hielt sich nicht lange mit Höflichkeiten auf, sondern teilte ihm eines Tages mit, dass er ihn zukünftig finanziell unterstützen würde, damit er seine Studien ausweiten könne. Ihm lag sehr daran, hinter die verlorenen Bedeutungen der Schriftzeichen zu kommen. Ténoch spürte Dankbarkeit, als er sich daran erinnerte.
Jahre vergingen. Ténoch war gerade damit beschäftigt, ein Alphabet zu verstehen, als Darken wieder einmal vorbeikam, und bei jenem Besuch war Ténoch der Verdacht gekommen, dieser Mann müsse mehr als nur ein bedeutender und mysteriöser Mäzen sein. Er schien zeitlos, er veränderte sich nicht, während er, Ténoch, alterte. Ténoch hatte seinen Mut zusammengenommen und Darken darauf angesprochen.
Darken verstellte sich nicht, er unternahm nicht einmal den Versuch, etwas abzustreiten. Stattdessen bot er ihm an, ihm ebenfalls die Unsterblichkeit zu schenken. Dies sei weniger abstoßend, als es den Anschein habe, versicherte er ihm, und wirklich, es war nicht mehr als ein blutender Kratzer, der seine Verwandlung möglich machte. Fortan nannte Darken ihn „Bruder“, und wenn er überhaupt etwas von der Tragweite der Verwandlung begriffen hatte, damals, vor so vielen Jahrhunderten, dann das: Er würde niemals aufhören müssen, Sprachen und Schriften zu studieren. Nachdem sie ihr Blut miteinander in Berührung gebracht hatten, verstand er auch, was ihn und Darken verband, denn von der Stunde an trug Ténoch dieselbe Schrift am Körper, wie Darken. Während sich bei Darken die Schrift jedoch auf dem größten Teil seines Rückens befand, zierte sie bei ihm, dem jüngeren Bruder, nur einen Teil der linken Schulter.
Darkens Besuche waren nie abgerissen. Manchmal kam er alleine, manchmal in Begleitung eines Knaben, den er aufgelesen hatte. Im Laufe der Jahrhunderte brachte Darken ein Kind nach dem andern zu ihm. Die kleine Universidad Privada Élite De Las Espadas hatten sie gemeinsam aufgebaut, um diesen Kindern ein Heim zu geben und um sie zu schulen. Es war auch der Ort, an dem Ténoch seine Studien betreiben konnte.
Ténoch war nicht nur zufrieden, er war glücklich. Er
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