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DARKNET

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Titel: DARKNET Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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grinste und zog sich vom Fallgitter zurück. Sorgsam setzte er die Mütze wieder auf. «Wenn Sie mich hier herausholen, werde ich auf bestimmte Ereignisse reagieren, und zwar auf ein Ereignis pro Level, das Sie erreicht haben. Danach habe ich Ihnen gegenüber keine Verpflichtungen mehr.»
    Loki nickte nachdenklich. «Was für Ereignisse?»
    «Die Parameter geben Sie vor. Vielleicht möchten Sie ja, dass ich reagiere, wenn Sie unter übermäßigem Stress stehen – oder zur Verteidigung Ihres Eigentums. Oder wenn in den menschlichen Nachrichten ein bestimmtes Item erscheint – etwa Ihr physischer Tod … die Ereignisse, die sich scripten lassen, sind praktisch unbegrenzt.»
    «Und was würden Sie als Reaktion tun?»
    «Das liegt ganz bei Ihnen, Loki», sagte Boerner mit einem verschlagenen Lächeln. «Aber ich würde es mit der ganzen Macht tun, die Ihnen damit zur Verfügung stünde.»
    Loki hatte bisher nur einer Person vertraut – Matthew Sobol. Und dieses Vertrauen war noch nie enttäuscht worden.
    «Na gut, Boerner. Gehen Sie weg vom Tor …»

19 Scheideweg
     
    Die Hände voll mit Einkaufstüten, ihrer Post und ihren Schlüsseln, betrat Natalie Philips ihre Wohnung. Sie drückte die Tür mit der Schulter zu und stellte dann das Piepen ihrer Alarmanlage ab, indem sie den Deaktivierungscode eintippte.
    Sie hängte ihre Jacke in den Dielenschrank und brachte die Einkäufe in die Küche. Das Blinken ihrer Telefon-Basisstation sagte ihr, dass eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter war.
    Nachdem sie die Einkäufe weggeräumt hatte, goss sie sich ein Glas Mineralwasser ein und viertelte eine Limette. Sie drückte die Schnitze ins Glas aus, reinigte Schneidbrett und Messer und trank einen Schluck. Dann griff sie sich das Telefon und setzte sich an den Küchentisch, wo der Poststapel lag.
    Eine neue Nachricht. Sie drückte die Abhörtaste. Die Stimme ihrer Mutter, die sie für das Wochenende einlud. Ihre Cousinen aus Tampa kamen. Philips löschte die Nachricht und legte auf. Sie wollte schon die Kurzwahlnummer für das Handy ihrer Mutter drücken, zögerte aber, legte dann das Telefon auf den Poststapel. Schob es genau in die Mitte und richtete es ordentlich aus.
    Philips hatte die letzten acht Jahre hauptsächlich in einem streng geheimen Labor verbracht, wo sie keine privaten Anrufe entgegennehmen durfte. In dieser Zeit hatte sie ihre Eltern dazu erzogen, sie tagsüber nicht anzurufen. Sie hatte oft bis spät in die Nacht an ihrer Forschungsarbeit gesessen und sich nur selten mal freigenommen. Und jetzt hatte ihre eigene Mutter nicht mal ihre Handynummer. In einem Anfall von Schuldgefühl dachte sie an all das unwiederbringlich Versäumte. Und wenn nun sowieso alles in die Binsen ging?
    Nie würde sie ihren Eltern – oder sonst jemandem – von dieser ganzen Welt erzählen können. Nicht von ihrer Arbeit, die im Knacken von Codes bestand. Nicht vom Fiasko der Daemon-Taskforce, das sie beinah das Leben gekostet hätte. Nicht von den schattenhaften Marionetten, die die Regierung nach ihrer Pfeife tanzen ließen.
    Sie trank wieder von ihrem Drink und fragte sich, was das in Bezug auf Sobol hieß. War der Daemon immer noch das Problem? Na ja, jetzt war er wohl eins von mehreren konkurrierenden Problemen. Aber machte die Tatsache, dass er Menschen getötet hatte, Sobol automatisch böser? Sie wusste nur zu gut, dass Töten manchmal notwendig war. Wusste sie das? Wie konnte man wirklich wissen, was notwendig war und was nicht? Und wenn es nun in dem Sinn «notwendig» war, dass die Aufrechterhaltung der eigenen Kontrolle alles rechtfertigte? Wie unterschied es sich dann von dem, was diese Privatfirmenleute taten?
    Und wenn Fulbright sich irrte? Wenn seine grausame Arithmetik nur ein Vorwand war? Als sie sich entschieden hatte, Kryptographin zu werden, hatte sie nicht mit moralischen Dilemmata gerechnet. Ihr war es einfach nur um die Schönheit der Mathematik gegangen. Vielleicht wusste Fulbright ja auch nicht, was er tat.
    Sie musste lächeln, als sie an ihr Praktikum bei der NSA dachte. Damals war alles noch so einfach gewesen. Da war sie davon überzeugt gewesen, dass sie die Verschlüsselungstechnik revolutionieren würde. Sie erinnerte sich, wie verächtlich sie auf Morris’ goldene Regeln der Computersicherheit herabgeblickt hatte:
     
    Besitze keinen Computer;
    schalte keinen ein
    und benutze keinen
     
    Der tiefere Sinn war ihr damals entgangen. Es war keine Kapitulationserklärung. Es war eine Meditation

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