Darkons Tod
können.
Zwei weitere Carlumer, nach Joby befragt, gaben übereinstimmend zur Auskunft, man solle am besten auf der Brücke nach ihm suchen.
»Wenn der Kleine es tatsächlich geschafft hat, in die Schiffsführung aufgenommen zu werden, will ich nie wieder etwas anrühren, was mir nicht gehört«, platzte Possel heraus.
Orgin warnte ihn.
»Nicht so voreilig. Am Ende bereust du dein Versprechen bitter.«
Nicht weit vor ihnen wurde lautstark in sämtlichen Tonlagen geschimpft. Hastige Schritte polterten eine Seitengasse entlang.
»Sie verfolgen jemand«, vermutete Possel spontan. »Komm schon, ich habe das Gefühl, da sind wir genau richtig.«
Die Quelle des Lärms war ziemlich nahe. Gut ein Dutzend Männer und Frauen rannten aufgescheucht und suchend umher.
»Sieht so aus, als hätten sie etwas verloren«, meinte Orgin.
»Unsinn.« Possel stieß ihm die Faust in die Seite. »Ihrem Schamanen wurden einige Kostbarkeiten entwendet. Du solltest besser hinhören.«
»Joby?«
»Wer sonst.«
Orgin pfiff leise zwischen den Zähnen hindurch. »Wahrlich ein Meisterdieb, der Kleine. Wo mag er sich wohl verkrochen haben?«
»Ich weiß nicht. Wohin würdest du vor der Meute fliehen?«
Sie sahen sich um. Schließlich deutete Possel auf den Turm in ihrer Nähe, dessen unteres Rund über treppenförmig angeordnete Dächer zu erreichen war. Ein Tau pendelte dort aus halber Höhe herab, allerdings höchstens zwei Mannslängen weit, um dann auf einer umlaufenden Plattform zu verschwinden.
Ohne daß ihre Wut sich legte, entfernten sich die Bestohlenen in die Außenbezirke der Stadt. Die beiden aus Anagon verharrten am Fuß des Turmes. Sie brauchten nicht lange zu warten, bis das Tau von der Plattform herabgeworfen wurde. Es reichte bis unmittelbar über den Boden.
Der Junge, der daran herabkletterte, bemerkte die Schatten nicht, die fast mit der Wand verschmolzen.
Als sich plötzlich ein Arm um seinen Oberkörper legte und eine kräftige Hand auf seinen Mund, um ihn am Schreien zu hindern, trat er jedoch geistesgegenwärtig nach hinten.
»Du kleines Biest…« Orgin stieß einen unterdrückten Schmerzensschrei aus. Fluchend versuchte er, das zappelnde Bürschchen zu bändigen, was gar nicht so einfach war. Ehe er es sich versah, biß Joby ihm in die Hand. Der Junge kam frei, wollte davonlaufen, aber da verstellte Possel ihm den Fluchtweg.
Jobys Augen weiteten sich in ungläubigem Erstaunen. Offensichtlich versuchte er, etwas zu sagen, brachte aber nur ein unverständliches Stammeln hervor. Er starrte den Meisterdieb an, als hätte er einen Geist vor sich.
»Wir sind es, Joby«, platzte Possel heraus.
Der Junge starrte ihn noch immer an, als könne er überhaupt nicht begreifen.
»Erinnerst du dich nicht mehr?«
»Aber… ihr seid doch tot…«
»Sehen wir so aus? Nur Hosined hat es damals erwischt. Wenn du es noch immer nicht glauben kannst, fasse mich einfach an.«
Zwei glitzernde Tränen stahlen sich aus Jobys Augenwinkeln hervor. Dann, als er feststellte, daß Possel tatsächlich aus Fleisch und Blut bestand, stieß er einen durchdringenden Freudenschrei aus und warf sich ihm an den Hals.
»Woher kommt ihr, was ist geschehen, wie habt ihr Carlumen gefunden…?« Tausend Fragen brannten ihm auf der Zunge. Wie ein Wasserfall sprudelten sie aus ihm hervor. Alles andere um ihn her schien vergessen; Possel mußte ihn erst sanft von sich schieben und daran erinnern, daß sie keineswegs allein waren.
»Weshalb hast du ausgerechnet den Schamanen bestohlen? Sie werden so schnell nicht ruhen.«
Joby grinste über das ganze Gesicht: »Weshalb nicht?«
Erneut näherten sich Schritte und aufgeregte Stimmen. Die Carlumer suchten also noch immer nach dem Jungen.
Orgin und Possel zerrten ihn einfach mit sich. Sie liefen zum Heck der fliegenden Stadt und machten erst im Schatten des sich drehenden Schwungrads halt. Hier war alles ruhig. Carlumen schwebte zwischen schroffen Felsspitzen empor. Irgendwo, unendlich weit entfernt, zeichnete sich ein Fleck verwaschener Helligkeit mitten im Violett ab.
»Was habt ihr vor?« fragte Joby keuchend.
»Wir nehmen dich mit uns. Die Welt ist groß und wartet darauf, daß wir kommen.«
»Nein.«
»Was nein?«
»Ich bleibe hier, auf Carlumen. Alle haben mich so freundlich aufgenommen, das kann ich schon Mythor und Tertish und Gerrek nicht antun. Sie vertrauen mir.«
»Vertrauen…« Possel tat, als habe er nicht richtig gehört. »Und wer ist Tertish? Eine Amazone?«
Joby nickte
Weitere Kostenlose Bücher