Darkons Tod
ihn nicht mehr hören. Er war tot. Mit einem letzten Aufbäumen fiel sein Kopf zur Seite. Ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel hervor.
Boozam fühlte sich wie betäubt und war für eine ganze Weile unfähig, sich zu erheben. Immerhin konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, daß Vangards Lebenswille in dem Moment erloschen war, in dem er ihn seines Wissens hatte teilhaftig werden lassen.
»Nun bist du endgültig der Herr des Todessterns.«
Überrascht sah Boozam auf, als er die Stimme vernahm. Aber da war niemand, nur Vangards Leichnam.
»Shaya?«
»Ja, Boozam, endlich ist es soweit. Die Zeit kam schneller, als uns allen lieb sein kann. Nun liegt es auch an dir, die Zukunft zu gestalten.«
Vergeblich wartete der Aborgino darauf, daß die Suchende Gestalt annahm. Allein der Klang ihrer Stimme, die von überallher zu kommen schien und vielleicht doch nur in seinen Gedanken existierte, veränderte sich, wurde drängender und fordernd zugleich. Shaya, das wußte er plötzlich mit erschreckender Gewißheit, duldete keinen Widerspruch. Sie wäre sogar bereit gewesen, ihn zu töten, wenn er ihren Wünschen nicht nachkam.
»Du wirst Myhtor wecken, um ihn für den Kampf gegen den Darkon zu wappnen. Bringe ihn aus dem Todesstern, denn das Dach der Schattenzone ist erreicht. Zögere aber nicht zu lange…«
*
Die Verheißungen hatten sich erfüllt, sie alle durften sich glücklich schätzen, dem Sohn und der Tochter des Kometen wenigstens einmal in ihrem Leben gegenübergestanden zu haben. Als hätte eine Leere in ihren Herzen sich plötzlich ausgefüllt, verspürten sie nichts mehr von der allgegenwärtigen Bedrohung der Schattenzone um sie her. Auch ohne daß es vieler Worte bedurfte, wußte jeder von ihnen, daß sie eine neue Aufgabe erhalten hatten. Ob heute oder morgen oder noch in fünfzig Jahren, sie würden nie wieder verweilen können, wo es ihnen gefiel – sie würden durch die Lande ziehen, wie die Weisen dies schon lange taten, und sie würden die Botschaft verkünden von den Freuden des Lichts, von Glück und Zufriedenheit, wenn die Menschen nur untereinander Frieden hielten. Die Schatten der Finsternis, Kampf und Tod sollten aus dieser Welt vertrieben werden, wie man mit Hilfe von Magie den Körper eines Kranken heilt. Ihnen war nicht mehr angst vor ALLUMEDDON, sie hatten die Furcht abgelegt als etwas, was nur den Geist schwächt.
Sie waren hundert, aber vom Sturmwind des Schicksals verweht, würde jeder von ihnen nicht mehr sein als ein winziges Samenkorn in endloser Steppe. Hitze und Kälte, Regen, Schnee und Hagel mochten über sie hinwegziehen, doch ihre Fähigkeit, Wurzeln zu schlagen und neue Triebe hervorzubringen, würden sie nie verlieren.
Shaya hatte ihnen Kraft und Stärke gegeben, während sie vor den Schreinen aus Meteorstein standen.
Ohne Zwischenfälle verließen die Pilger den Todesstern. Hoch über ihnen schwebte ein mächtiges Ungetüm, dessen Widderschädel im ersten Moment Furcht einflößte – die fliegende Stadt Carlumen .
Rauhreif hätte sich niedergeschlagen. Aus weiter Ferne drangen dumpfe, unwirkliche Laute herüber. Dort, wohin der Kurs des Todessterns zielte, erstreckte sich eine scheinbar endlose Ebene. Sie schien bis an den Rand der Welt zu führen.
Die Pilger hatten es eilig, zu ihren Schiffen zu gelangen. Nur zwei von ihnen hielten sich am Fuß der Felswand zurück und warteten, bis die anderen längst außer Sichtweite waren.
Die Kälte ließ sie frösteln und die Umhänge enger um ihre Körper schlingen. Immer wieder blickten sie zu der fliegenden Stadt hinauf, die etwa von der Hälfte ihrer Schleppsegel vorwärtsgetragen wurde. Die Entfernung war fast schon zu groß, um in der Düsternis Bewegungen an Deck erkennen zu lassen.
»Hoffentlich ist deine Vermutung richtig, daß die vier mit einem kleineren Boot von dort oben gekommen sind«, raunte einer der beiden Pilger. »Ich würde nicht gern in dieser Umgebung zurückbleiben.«
»Unsinn, Orgin«, erwiderte der andere. »Hast du schon vergessen, daß Joby auf dem Schiff sein soll? Außerdem sind sie noch hinter uns. Oder ist dir das nicht aufgefallen?«
Wenn einmal brauchbare Spuren vorhanden gewesen waren, hatte zumindest der Reif sie zugedeckt. Possel sah sich lange und aufmerksam um, bevor er sich wieder seinem Gefährten zuwandte, der frierend die Hände aneinander rieb.
Sie standen am Fuße einer steil aufragenden Felswand, die zur Linken hin in eine enge Schlucht auslief. Rechter Hand wurde
Weitere Kostenlose Bücher