Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya

Titel: Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley / Deborah J. Ross
Vom Netzwerk:
verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere. Ihre Augen waren dunkel geworden, wie Schiefer.
    Mit leiser Stimme, die nicht nach innen drang, sagte sie: »Dieses Gerede ist zwecklos. Ebenso gut kannst du mit einem der Hunde im Zwinger argumentieren. Mit jedem Wort überzeugt er sich mehr von seiner Position der Stärke. Lass mich mit ihm verhandeln.«
    »Du?«, sagte Eddards Frau. »Was kannst du, eine Frau, schon ausrichten?«
    Margarida ließ nicht erkennen, ob sie das gehört hatte. Coryn konnte durch ihre Laran-Barrieren ihre Absichten nicht lesen.
    Bevor er etwas entgegnen konnte, erhob sie die Stimme.
    »Lotrell! Hier spricht Margarida. Erinnerst du dich an mich? Ich lebe noch! Wenn du schon eine Geisel brauchst, dann nimm mich statt des Jungen!«
    »Mar… «
    Sie brachte Coryn mit einem Blick zum Schweigen, der so grimmig war, dass er um nichts auf der Welt in Lotrells Haut stecken wollte. »Besorgt das Pferd«, sagte sie, laut genug, dass Lotrell es hören konnte. »Gebt ihm, worum er gebeten hat.« Zwei Bedienstete der Burg liefen los, ein Mann zu den Ställen und die alte Frau mit dem Besen in die Küche.
    Aus der Waffenkammer kam keine direkte Antwort, nur das ständige leise Wimmern des Jungen. Die Spannung nahm zu, eine spürbare Last. Eddards Frau hatte beide Hände auf den Mund gepresst. Tränen strömten über ihre Finger, aber sie hatte sich in der Gewalt.
    Ohne bewusste Absicht vertiefte Coryn seinen Laran-Kontakt mit dem Mann in der Waffenkammer. Sein Sehvermögen schwand, als er in Lotrells Geist eindrang. Er glitt unter die Emotionen an der Oberfläche. Dunkelheit sprang ihn an. Seine Sinne wechselten; er nahm den Uringeruch wahr - der Junge hatte sich nass gemacht -, vermischt mit den Gerüchen von Metallöl und Leder, die Muskeln, die unter dem Gewicht des Jungen in Schulter und Arm zuckten, den kalten Schweiß, der seitlich am Hals des Mannes hinabrann, einen dumpfen Druck gleich unter seinem Brustbein.
    Fadengleiche Tentakel, verschlungen und in hässlichem Rot pulsierend, wanden sich durch Lotrells Brust, seinen Bauch hinab.
    Er biss sich auf die Unterlippe und spürte die Lücke, dort, wo sein linker Augenzahn sich befunden hatte, bis er im letzten Winter gezogen worden war.
    Der Schmerz wird vergehen…
    Die Gedanken des Mannes klangen wie der Widerhall ferner, misstönender Gongs. Coryn schätzte die ungesunde Stauung der Lebenskräfte ab, vernahm die schwere Arbeit des Herzens, spürte die Qual der sterbenden Zellen. Der Körper zitterte. Der Mann griff sich mit der freien Hand an die Brust und knetete die Muskeln.
    Geh vorbei, verdammt auch, geh vorbei! Ich kann es mir jetzt nicht leisten, schwach zu sein!
    Ein einziger Stups hätte gereicht. Als Überwacher hatte er gelernt, die körperlichen und die Laran-Kanäle zu reinigen. Mit einer einzigen Bewegung seines Geistes hätte er die Herzschmerzen lindern… oder bei dem Mann einen tödlichen Infarkt herbeiführen können. Dieser Lotrell hatte eine Herzschwäche, die sich so oder so bemerkbar gemacht hätte. Wer hätte zu sagen vermocht, dass der Anfall nicht natürlichen Ursprungs war, nicht in den nächsten paar Augenblicken ohnehin erfolgt wäre?
    Es wäre so leicht…
    Der Junge, Eddards Sohn, Verdantas Erbe, wäre gerettet, wie seine Mutter und Margarida. Niemand würde etwas erfahren…
    Aber er, Coryn, würde es wissen. Er würde den Rest seines Lebens mit dem Wissen verbringen, dass er den feierlichsten aller Schwüre eines Laranzu gebrochen hatte, dass er das einzige unverzeihliche Verbrechen der Türme begangen hatte, den erzwungenen Eingriff in den Geist eines Menschen. Er würde sich des Daseins eines Bewahrers ein für alle Mal als unwürdig erwiesen haben.
    Ein Schauder ließ halb verschüttete Erinnerungen in ihm aufsteigen, die Übelkeit mit sich brachten. Er wusste, dass er so etwas noch nie getan hatte, und doch erschien ihm diese Aussicht furchtbar vertraut, Abscheu kam in ihm auf. Im Nu fand er sich in seinem Körper wieder, und seine Hände zerknüllten das Hemd über seinem Bauch.
    Höchstens ein oder zwei Herzschläge waren vergangen. Margarida stand noch immer mit gespreizten Beinen da, eine Hand auf dem Knauf des Messers, das sie in den Gürtel zurückgesteckt hatte. Ihr Kopf war leicht zu einer Seite geneigt, als lauschte sie.
    Coryn holte tief Luft, und seine Bauchmuskeln entspannten sich.
    Die Tür zur Waffenkammer öffnete sich knarrend. Schlurfen und das Gejammer eines Kindes erklangen. Durch die

Weitere Kostenlose Bücher