Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
leer an den Gürteln.
Als Taniquel näher trat, hob Rafael den Blick, und sofort hellten seine Züge sich auf. Die Knienden drehten sich um. In dem Ältesten von ihnen erkannte sie Esteban wieder - Esteban von Greenhills.
Ein kurzer Schreck durchfuhr sie. Es war Esteban gewesen, der die Gesandtschaft nach Thendara angeführt hatte - die Gesandtschaft, die um die Unterstützung gegen Damians Regime ersucht hatte. Er und die anderen Lords von Acosta waren so verzweifelt gewesen, dass sie beschlossen hatten, sich eher einem fremden König zu unterwerfen, als weiterhin zuzusehen, wie ihr Land durch Deslucidos Tyrannei ausblutete. Rafael hatte sich damals jedoch geweigert, sie anzuhören; stattdessen hatten sie sich an sie gewandt.
Ich habe ihnen geschworen, dass ich zurückkehren und Acosta befreien würde. Seit jenem Tag gehört mein Leben nicht mehr mir.
Über das Gesicht des alten Mannes flackerte helle Freude.
»Meine Königin! Endlich haben wir Euch gefunden! Wir haben alle die Gerüchte vernommen, aber zunächst nicht gewagt, ihnen Glauben zu schenken. Dann hörten wir die Nachricht, dass Ihr selbst in den Kampf ziehen würdet.« Er verneigte sich mit glänzenden Augen und streckte die Hand nach dem Saum ihres Gewandes aus. »Führt uns! Wir gehören Euch!«
Taniquel zog ihre Röcke sanft beiseite. »Ich bitte Euch, mein Herr. Erhebt Euch. Es geziemt sich nicht vor dem Hastur-Lord.«
Sie wandte sich mit fragendem Blick an ihren Onkel.
»Allem Anschein nach«, sagte Rafael mit trockener Stimme, »ist dir dein Ruf vorausgeeilt. Diese Männer haben dich gesucht. Sie möchten sich deiner Sache anschließen.«
Taniquel besaß keinerlei eigene Streitmacht und hatte erst recht nicht die leiseste Ahnung davon, wie man eine Armee effektiv befehligte. Aber wie sollte sie das diesen Männern sagen, die sie mit vor Hoffnung überfließenden Augen anblickten?
Sie war die Regentin von Acosta, die Mutter des einzig wahren Erben, und auch davor schon ihrem Geburtsrecht nach Königin gewesen, rief sich Taniquel in Erinnerung. Sie war mit Königen und Göttern verwandt. Das Blut Hasturs, Sohn des Aldones, des Herrn des Lichts, floss in ihren Adern.
Sie nahm sich zusammen, hielt den Kopf hoch und die Schultern gerade. »Wie viele Männer bringt Ihr mir?«
Esteban nannte eine Zahl. Es handelte sich um Männer aus seiner Provinz und einigen weiteren aus der Nachbarschaft. Sie vermutete, dass viele davon vor Deslucido geflohen waren. Sie würden mit Anbruch der Erntezeit schmerzlich vermisst werden. Fast hätte sie sie allesamt dorthin zurückgeschickt, wo sie am meisten gebraucht wurden. Andererseits durfte sie einen solchen Beweis der Ergebenheit nicht einfach abtun, und schon gar nicht durfte sie diese Leute Deslucidos Vergeltung ausliefern.
Taniquel neigte den Kopf in die Richtung, in der Rafael sich auf seinem Stuhl wie auf einem Thron rekelte. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. »Dort sitzt mein Onkel, der in diesem Krieg ein Vorkämpfer ist. Ich lasse mich bei diesem Feldzug von ihm führen. Seid Ihr bereit, Euch seinen Befehlen zu unterwerfen und gemeinsam mit seinen Kämpfern gegen den Tyrannen von Ambervale zu marschieren?«
Estebans Blick wechselte von ihr zu Rafael. Ein Aufruhr von Gefühlen verzerrte seine Züge, doch er hielt sich wacker. »Euer Majestät, Vai Dom, wir gehorchen Eurem Befehl.«
»Und du, Onkel«, sagte Taniquel mit erhobener Stimme, »bist auch du bereit, das Lehen dieser zum Kampf entschlossenen Männer anzunehmen, sie zu führen und für sie zu sorgen wie für deine eigenen Leute - für die Dauer dieses Feldzugs und ohne jede Verpflichtung auf spätere Vasallentreue?«
Er nickte fast unmerklich, und sie fühlte eine Woge seiner Zustimmung. »Dazu bin ich bereit, meine Nichte.«
»So befehle ich euch denn«, wandte sie sich wieder an Esteban und die anderen, »euch König Rafaels Befehlshabern anzuschließen und ihren Anordnungen Folge zu leisten. Ich danke euch für eure Dienste.« Dann entließ sie die Männer mit einem bloßen Blick.
Im Handumdrehen leerte sich das Zelt, und die Kämpfer aus Acosta wurden zu ihren neuen Einheiten gebracht. Anschließend sprach niemand mehr darüber, dass Taniquel abreisen sollte.
Aber kaum hatte sich die Armee wieder in Marsch gesetzt, musste Taniquel feststellen, dass sie sich mit einigen Einschränkungen abzufinden hatte. Allein oder als Befehlshaberin eines kleinen, bewaffneten Trupps zu reisen war eine Sache, sich inmitten einer
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