Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
durch und trat aus dem Zelt in die Nacht.
Ein beißender Geruch hing in der Luft, wie brennendes Kupfer. Einen Augenblick lang dachte sie, Deslucidos Männer wären schon über das Lager hergefallen und hätten es überrumpelt. Hier und da waren Zelte zusammengestürzt und lagen wie unförmige Klumpen zwischen denen, die noch wie altersschwache Wachposten aufrecht standen. Sie sah mehrere Körper wie tot am Boden liegen. Und sie befürchtete, dass etliche von ihnen tatsächlich tot waren. Dazwischen, in den Zeltgassen und rings um die Feuerstellen, kämpften Männer mit allem, was ihnen in die Hände geriet, gegeneinander, schlugen, stachen oder prügelten in rasendem Wahn mit Steinen, Klingen oder bloßen Fäusten aufeinander ein.
Sie ging eilig an Gruppen von Soldaten vorbei, wo zwei oder mehr einen Einzelnen in die Enge getrieben hatten und anschließend aufeinander losgegangen waren.
Nur dort, wo Rafael vorbeigekommen war, herrschte einigermaßen Ordnung, war der Wahn fürs Erste gebannt. Die Männer hatten sich sogar wieder daran gemacht, das Lager aufzubauen und diejenigen, die immer noch kämpften, zu trennen. Einige saßen stöhnend auf dem Boden und hielten sich die Köpfe. Zwischen den Zelten rannten Adjutanten hin und her und gaben Befehle aus.
Kurz darauf erreichte Taniquel das Zelt, das sie sich mit Graciela teilte. Es war leer und unangetastet. Sie eilte weiter zu Edrics Zelt, das nicht weit davon entfernt stand und ebenfalls noch intakt aussah. Drinnen standen Edric und die anderen und hielten sich an den Händen. Graciela, die als einzige Frau in der Gruppe sofort auffiel, schwankte wie eine Weide im Sturm hin und her.
Taniquel schloss die Augen und versuchte, sich das vorzustellen, was sie nicht körperlich vor sich zu sehen vermochte. Sie hatten sich auf irgendeine Weise miteinander verbunden und bildeten so eine geistige Einheit. Eine Welle des Wahnsinns nach der anderen brandete gegen das Lager an, doch Taniquel spürte, dass sich jetzt durch die vereinte Geisteskraft der Arbeiter ein Schild aufbaute. Er war noch sehr schwach, eher ein Schleier als ein Panzer, aber er versetzte sie immerhin in die Lage, das Schlimmste abzuwehren.
Sie blieb eine Weile unentschlossen stehen und fragte sich, wie sie helfen konnte. Domna Caitlin hatte ihr vor langer Zeit gesagt, dass sie nicht genug Laran besäße, um eine Ausbildung zu rechtfertigen, aber daran glaubte sie nicht mehr. Hatte sie nicht Deslucidos Zauberbann widerstanden, zuerst an den Toren der Burg Acosta und jetzt auch hier, an diesem Abend? Das hatte doch sicher etwas zu bedeuten. Aber sie wusste nicht, wie sie sich den anderen anschließen konnte. Sie scheute davor zurück, sie anzusprechen oder zu berühren, aus Angst davor, ihre Konzentration zu stören und somit den schützenden Kreis zu zerbrechen und das Lager wieder angreifbar zu machen.
Nicht einmal Rafaels Führungsqualitäten konnte die Männer wieder zur Vernunft bringen.
Und niemand wusste, wann Deslucidos Streitmacht tatsächlich zuschlagen würde… Sie mussten auf alles gefasst sein.
Draußen, an der Rückseite des Zelts, wurden Geräusche laut. Rufe, scharrende Schritte. Licht flammte auf, drang durch die Zeltleinwand. Erst jetzt, in diesem grell erleuchteten Augenblick, sah Taniquel die konzentrierten Gesichter der anderen Arbeiter.
Einem Mann tropfte Blut aus einer Stirnwunde.
Noch mehr Licht von draußen, noch mehr Rufe. Die Stimmen klangen jetzt näher, schienen fast von oben zu kommen. Die Laran-Arbeiter standen immer noch mit geschlossenen Augen da, völlig auf ihr Inneres konzentriert. Taniquel ging zum Eingang.
So kopflos, wie sich die Männer draußen unter dem Bann verhielten, konnten sie auch dieses Zelt niedertrampeln. Sie musste sie aufhalten. Vielleicht wenn sie sie verspottete, vom Zelt weglockte…
Ein Kreis aus Feuerpunkten erschien auf der Zeltwand, ziemlich weit unten. Der trockene Stoff fing sofort Feuer, Flammen rasten fauchend die Wand empor und ließen klaffende Löcher zurück. Kleine Brocken orangefarbener Kohle wirbelten herein. Alles, womit sie in Berührung kamen - mit dem Teppich, der Einrichtung -, ging in Flammen auf. Die Zeltwand wurde schwarz und fiel in sich zusammen. Das Gewand eines der Männer brannte mit grellen, weißgelben Flammen. Er fing an zu schreien, ebenso Graciela.
Taniquel packte den Schreienden an den Schultern. Es war Edric, der sich mit weit aufgerissenen, ins Nichts starrenden Augen in ihrem Griff wand. Ihr fielen die
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