Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
in ihre Stimme.
Daraufhin stellten sie sich in einer Art Dreieck in Position und nahmen sich locker an den Händen. »Es wird zwar nicht viel nützen«, meinte einer der Männer, »aber wir geben unser Bestes.«
»Ich muss jetzt zu meinem Onkel. Er zählt darauf, dass ihr euren Teil beitragt - und ich zähle ebenfalls darauf.«
Sie erhielt keine Antwort, was Taniquel als positives Zeichen wertete. Dann eilte sie in die Richtung davon, in der Rafael verschwunden war. Schon nach wenigen Schritten schalt sie sich, weil sie keinen der Laranzuin gebeten hatte, ihn für sie ausfindig zu machen. Jetzt konnte sie nicht mehr zurückgehen und fragen. Es würde die Debatte nur erneut aufflammen lassen.
Also versuchte sie, in der brodelnden Dunkelheit des Lagers die Schneisen der Ordnung ausfindig zu machen, die anzeigten, wo Rafael mit seinen Leuten gesprochen und sie wieder zur Vernunft gebracht hatte. Minuten verstrichen bei dieser Suche, Minuten, in denen der Gedanke durch ihre Adern pochte. Nur noch eine Stunde entfernt!
Fast zufällig traf sie auf Gerolamo, der einer Gruppe junger Hauptleute Befehle erteilte. Bevor sie ihn sah, hörte sie seine Stimme, dann erblickte sie ihn, übel zugerichtet, aber um so entschlossener; er trug noch den Verband, das elfenbeinfarbene Seidenband am Arm, das wie ein Abzeichen leuchtete. In der Hand hielt er ein blankes Schwert und vermittelte durchaus den Eindruck, als sei er jederzeit bereit, es zu benutzen. Noch während Taniquel näher kam, stoben die Offiziere davon.
»Wo ist König Rafael?«, fragte sie ohne lange Vorrede.
»Er hat die noch kampftüchtigen Männer im angrenzenden Feld zusammengezogen«, antwortete Gerolamo.
Wenigstens gab es noch einige. Sie wagte nicht daran zu denken, wie viele von ihnen übrig blieben oder was sonst noch alles geschehen würde, wenn der Kreis zusammenbrach. »Ich muss sofort mit ihm reden!«
Gerolamo meinte, er würde ihr nicht raten, allein im Lager umherzugehen, nahm sie dann aber selbst am Arm und begleitete sie. Einmal kam ein Bewaffneter aus der Dunkelheit auf sie zugerannt. Das Mondlicht brach sich im Weiß seiner vortretenden Augen und auf der Klinge des Dolches, mit dem er nach Taniquel stieß. »Elende Hexe!« kreischte er. »Solche wie du haben meinen Vater getötet! Ihr habt ihn im Schlaf vergiftet!«
Gerolamo wehrte den Stoß ab, der Dolch flog in den Staub. Der Soldat warf einen entsetzten Blick auf Gerolamos Schwert und rannte davon. Gerolamo reichte Taniquel den Dolch.
»Benutzt ihn nur, wenn Ihr müsst«, wies er sie an, »aber dann benutzt ihn, um zu töten.«
Sie nahm die Waffe nickend entgegen. Gesellschaftlicher Rang und Vernunft würden ihr in dieser Nacht nicht viel weiterhelfen.
Falls sie den Dolch einsetzen musste, hatte sie nur eine einzige Chance.
Rafael stand in einem Kreis lodernder Fackeln und redete in besonnenem, gleichmäßigen Ton mit seinen Soldaten. Sie spürte, wie sie seine Worte förmlich in sich aufsaugten. Noch immer hallte der Druck des Laran-Zaubers in ihr nach. Trotzdem widerstanden diese Bewaffneten seinem Bann, jeder auf seine eigene Art. Bis zu diesem Moment hatte sie nicht gewusst, dass Loyalität jeden noch so tief verwurzelten Hass überwinden konnte.
»Ein jeder von uns trägt die Fähigkeit zum Kämpfen und die Fähigkeit zum Frieden in sich«, ertönte Rafaels Stimme. »Diese Entscheidung treffen wir an jedem Tag unseres Lebens neu, in jedem Augenblick. Töten oder bewahren. Einen Baum hegen oder ihn fällen. Zu Recht und Gesetz stehen oder dem Gesetzlosen in uns freien Lauf lassen.«
Und in jedem Augenblick seiner Rede trafen sie ihre Wahl. Sie beschlossen, Widerstand zu leisten, die Hände reglos auf ihren Waffen, die Augen auf ihren König gerichtet.
Diese Männer sind mehr Wert als alles Gold in Shainsa, dachte sie. Sie dürfen nicht unter Deslucidos Schwertstreichen fallen!
Als Rafael sie kommen sah, unterbrach er seine Rede und nahm Taniquel zur Seite.
»Chiya, du solltest nicht hier sein… «
»Edric und die anderen haben uns vor den schlimmsten Auswirkungen des Laran-Angriffs geschützt«, fiel sie ihm ins Wort.
»Sein Ursprung ist Tramontana. Edric ist verletzt, unsere Möglichkeiten zur Verteidigung sind stark eingeschränkt. Uns bleibt weniger als eine Stunde, bevor die Truppen von Ambervale hier sind.«
»Eine Stunde… «, wiederholte er und holte tief Luft. »Wir können unsere Leute in diesem Durcheinander nicht geordnet zurückziehen. In den Hügeln sind
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