Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Laran-Bannsprüche aus Tramontana abzuwehren.«
»Hab Dank für deine Botschaft«, sagte Rafael. Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch. »Deine Sorge um unsere Verbündeten ist höchst lobenswert. Lass es mich wissen, falls ihr noch etwas von ihnen hört.«
Der Laranzu verbeugte sich erneut und zog sich zurück. Als er außer Hörweite war, sagte Taniquel. »Hast du vor, einen Spähtrupp nach Neskaya zu entsenden?«
Rafael blickte sie nachdenklich an, schüttelte jedoch den Kopf.
»Ich kann auf keinen meiner Leute verzichten. Wir haben die Armee schon aufgeteilt: Eine Truppe belagert Ambervale, eine zweite kehrt mit mir nach Thendara zurück, und eine dritte soll Acosta und dich verteidigen. Da wir die Lage in Ambervale nicht einschätzen können, muss ich sogar meine Laranzuin aufteilen. Ich kann es mir nicht leisten, meine Streitmacht durch eine völlig überflüssige Mission noch mehr zu schwächen.«
»Wieso überflüssig?«, fragte Taniquel empört. »Schuldest du Neskaya etwa keine Unterstützung?«
Rafaels Blick war stechend wie der eines Falken. »Sie ist überflüssig, weil wir allen Grund zu der Annahme haben, dass Neskaya in eine Auseinandersetzung mit Tramontana verwickelt ist, und das bedeutet, dass wir mit unseren Mitteln ohnehin nichts für seine Bewohner tun können. Es wäre reine Zeitverschwendung.«
Es war zwecklos. Sie kannte diesen Gesichtsausdruck ihres Onkels. So sah er aus, wenn er abschätzte, ob ein Pferd eine große Entfernung bewältigen, eine Schwertklinge im Eifer des Gefechts zerbrechen würde, ein Bote auch zuverlässig war. Oder ob sie selbst es wirklich wert war, Comynara und Königin zu sein.
Sie neigte den Kopf. »Ich bin dir zutiefst dankbar für alles, was du für mich und Acosta getan hast, Onkel. Wie immer sprichst du weise und handelst großherzig. Du verstehst viel mehr von militärischen Dingen als ich, und ich vertraue mich deiner Führung an.«
»Du warst eine gelehrige Schülerin«, erwiderte Rafael etwas gezwungen, doch dann wurde sein Tonfall milder. »Und ich bin froh, dass ich dir helfen konnte. Ich habe nur getan, was für ganz Darkovers Zukunft erforderlich war. Wenn wir diese schrecklichen Zeiten überleben wollen, müssen wir den schlimmsten Missbrauch von Laran zu Kriegszwecken unterbinden und weniger zerstörerische Mittel und Wege finden, um unsere Meinungsverschiedenheiten auszutragen, und… versuchen, im gegenseitigen Umgang stets Würde und Anstand zu bewahren. Du siehst, wir haben das gleiche Ziel. Adelandeyo«, fügte er hinzu und verbeugte sich knapp. Geh mit den Göttern.
Als Taniquel das Zelt verließ, wurde ihr klar, dass ihr Onkel Recht hatte. Rafael Hastur hätte genauso gut im geschützten Thendara bleiben können. Er hätte sie auch zwingen können, bei ihm zu bleiben, von ihm abhängig und ohne jede Machtbefugnis. Und irgendwann hätten Deslucidos Eroberungsversuche Rafael veranlasst, seine Grenzen mit aller Macht zu verteidigen.
Es war der Missbrauch von Laran gewesen, der Rafael zum sofortigen Handeln bewogen hatte. Knochenwasser-Staub an den Grenzen einzusetzen war schon schlimm genug, aber das hatten andere vor Deslucido getan, und es würde auch in Zukunft wieder geschehen. Doch unter dem Wahrheitsbann Lügen zu erzählen… diese Ungeheuerlichkeit hatte Rafael so sehr erschüttert, dass er bereit war, alles aufs Spiel zu setzen, sogar seine eigene Domäne.
Was hatte er in jener Nacht in Arilinns Verborgener Stadt zu ihr gesagt? »Wenn der Eid eines Mannes nichts mehr gilt, dann regiert die nackte Gewalt. Dann gibt es kein Zögern und keine Zurückhaltung mehr, dann sind Vernunft und gute Worte machtlos. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als zu versuchen, den Gegner mit noch wirksameren Waffen aufzuhalten. Zandru allein weiß, wann dieser mörderische Kreislauf durchbrochen wird - vielleicht erst dann, wenn niemand mehr übrig ist, der kämpfen kann, und nichts, worum zu kämpfen es sich noch lohnt?«
Um das zu verhindern, würde Rafael alles geben - sein Leben, sein Königreich und seine Ehre. Und er erwartete von Taniquel, seinem Beispiel zu folgen.
Das Blut stockte ihr in den Adern, und ihr fiel wieder ein, wie sie den dröhnenden Widerhall ihrer Stimme im eigenen Leib gehört hatte, als sie Belisar verhörte. Die Pflicht gebot ihr, Coryn seinem Schicksal zu überlassen, als wäre er für sie nichts weiter als ein nützliches Werkzeug. Sie fragte sich, was aus ihr geworden war, dass sie überhaupt solche Gedanken
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