Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
denen viele nicht sonderlich sauber waren, blieb sie stehen.
Esteban blickte sie fragend an.
»Wenn du so freundlich wärst«, sagte sie, »ein paar Vorräte und meine Kleider in den Satteltaschen zu verstauen und die Fuchsstute fertig zu machen.«
Er blickte ihr offen in die Augen. »Darf ich fragen, wohin wir reiten, Vai domna?»
»Nicht wir, mein treuer Esteban. Niemand soll… niemand darf mich begleiten.«
Estebans Miene versteinerte. »Hier im Lager seid Ihr sicher, aber nicht auf den Straßen. Dort treiben versprengte Soldaten aus der Armee des Eidbrechers ihr Unwesen, ganz zu schweigen von den noch unsympathischeren Kerlen, denen man in unruhigen Zeiten wie diesen begegnet, wo der Arm eines Lords nicht weit reicht und das Geld knapp ist.«
Taniquel hob in gespielter Verzweiflung die Hände und ergab sich. Esteban würde ihr folgen, ob sie es nun erlaubte oder nicht, und das einzig Vernünftige war, seine Hilfe anzunehmen. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Rafael sie suchen ließ, wenn sie eine Leibwache bei sich hatte.
»Wir reiten nach Neskaya und sehen nach, weshalb der Turm schweigt«, verkündete sie. »Und bieten unsere Hilfe an, wenn es Not tut.«
»Dann reiten wir also ehrenvoll.«
Taniquel dachte kurz darüber nach, dann nickte sie ernst. Leise, mehr für sich, wiederholte sie das Wort ehrenvoll, als hätte sie es nie zuvor ausgesprochen und erst jetzt seine wahre Bedeutung erfasst.
Zu guter Letzt bestand Taniquels Begleitung nicht nur aus Esteban, sondern aus ungefähr dreißig berittenen Soldaten aus Acosta, einer kleinen Privatarmee, die sich von der großen Streitmacht abgespalten hatte. Die übrigen Männer schickte Taniquel zusammen mit Rafaels Leuten und einem erfahrenen Hauptmann nach Acosta weiter.
Wimpel mit dem Adlerwappen tauchten auf, und große Mengen Vorräte sowie ein Zelt für Taniquel wurden zusammengepackt. Graciela bot sich schüchtern als Anstandsdame an, denn es geziemte einer Königin nicht, ohne weibliche Begleitung zu reisen, auch dann nicht, wenn sie nur von ihren eigenen Kriegern umgeben war. Taniquel willigte ein. Sie scherte sich zwar nicht mehr groß um Anstandsregeln, doch wenn sie erst in Neskaya angekommen waren, mochten sich Gracielas Fähigkeiten als nützlich erweisen.
Sie kamen entsetzlich langsam voran, denn die Pferde der Soldaten waren noch müde von der Schlacht. In der ersten Nacht schliefen sie unter freiem Himmel, und kaum dass Taniquel sich ausgestreckt hatte, fiel sie auch schon in tiefen Schlaf. Am folgenden Tag erreichten sie eine kleine Handelsstadt an einem Fluss.
Taniquel machte sich in Begleitung von Esteban auf, um bei einem Bauern Brot und Hafer für die Pferde zu kaufen. Sie fragte den Mann, ob er aus der Gegend, die noch vor ihnen lag, irgendwelche Neuigkeiten gehört hatte.
»In die Richtung würd’ ich lieber nich’ reiten«, erwiderte der Bauer und musterte die beiden mit steigendem Argwohn. Er weigerte sich, Taniquel direkt zu antworten, und sah in ihr anscheinend eine schamlose Person und in Esteban einen Sandalen tragenden Narren, der besser daran täte, ihr Sittsamkeit einzubläuen. »Mein Vetter zwei Höfe weiter meint, ’n Kesselflicker wäre bei ihm gewesen, und der hätt’ gesagt, dass drüben in Neskaya irgendwelche Zauberkämpfe abgehen. Steinhäuser würden brennen, wie damals im alten Valeron. Mein Großvater, der hat davon erzählt, wie die Hexer Felsen zum Bluten und Flüsse zum Sprechen bringen. Ich glaub ja, die Aldarans stecken dahinter, und mit denen will ich nichts zu schaffen haben.«
Esteban bedankte sich bei dem Mann, bezahlte ihn, und sie zogen weiter.
Steinhäuser würden brennen… Die Worte hallten in Taniquels Geist wider, während sie an ihrem Stück Brot nagte, deren Krume reichlich grob gehackte Nüsse und kleine süße Samen beigemengt waren. Esteban saß auf seinem Reittier, den Blick stur geradeaus gerichtet, damit sie wenigstens die Illusion von Ungestörtheit hatte.
Durch Wasser bist du zu mir gekommen. Durch Feuer komme ich zu dir.
Hatte Coryn sie zu rufen versucht und war gescheitert, weil sie nicht zu antworten vermochte? Am liebsten hätte Taniquel ihrer Stute tüchtig die Sporen gegeben und wäre ohne anzuhalten nach Neskaya geprescht.
42
Der verhangene Himmel hüllte Neskaya und seine Umgebung in einen seltsamen blaugrauen Dunst. Verglichen mit Thendara war die Stadt zwar klein, dafür aber ungleich älter. Es hieß, dass es sich um eine der ersten
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