Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Notwendigkeit, Darkovers zerbrechliche Ordnung vor dem Chaos zu bewahren, hin- und hergerissen war. Ein Schauder überlief sie, als ihr klar wurde, dass er nicht nachgeben würde. Gerechtigkeit galt ihm ebenso viel wie Frieden.
Deslucido und Belisar wurden gebracht. Der Vater schleppte sich voran, so gut das mit den schweren Eisenfesseln an Händen und Füßen eben ging, der Sohn musste immer noch auf einer Trage transportiert werden. Sein Bein war inzwischen verbunden und provisorisch geschient worden. Seine Augen waren stumpf vor Schmerz, doch sie leuchteten kurz auf, als er Taniquel erblickte. Auch Deslucidos Kampfgeist schien erloschen, und er schien sich in sein Schicksal zu fügen. Er hob den Kopf und blickte Rafael an.
»Vai dom«, grüßte er ohne jede Andeutung einer Verneigung.
»Heute war der Sieg Euer. Bestimmt warten meine Leute schon ungeduldig auf unsere Rückkehr. Wie lauten Eure Bedingungen für unsere Freilassung?«
»Das hängt davon ab, welche Erklärung Ihr mir für gewisse Regelwidrigkeiten bei Eurer Kriegsführung liefert.«
Der Gefangene zog in gespielter Verwunderung eine Braue hoch. »Regelwidrigkeiten? Das hier ist Krieg, verehrtester Gegner, kein Ballspiel, bei dem es feste Regeln gibt.«
»Ich spreche nicht von unserer gegenwärtigen Auseinandersetzung, sondern von den Ereignissen, die ihr vorausgegangen sind. Von der Versammlung des Comyn-Rates.«
»Oh.« Deslucido riss verblüfft die Augen auf, und Taniquel konnte fast hören, wie er fieberhaft nachdachte. »Wollt Ihr mich dafür verantwortlich machen, dass es dem Rat nicht gelungen ist, eine friedliche Lösung zu finden, mit der dieses Blutbad hätte vermieden werden können? Ich darf Euch daran erinnern, dass der Rat meinen Argumenten zugestimmt hat und dass Ihr derjenige wart, der widersprochen hat. Ich dachte immer, Ihr richtet Euch nach den Beschlüssen des Rates?«
»In der Tat.« Bei Rafaels ruhigem Ton überlief es Taniquel eiskalt. »Und zwar so sehr, dass es mich besonders erzürnt, wenn jemand gegen die wichtigsten Prinzipien des Rates verstößt.« Er machte eine Pause, als wartete er auf eine Reaktion seines Gegenübers.
Deslucido verzog keine Miene. Er war von den Strapazen der Schlacht ausgelaugt und trug seine Niederlage mit Würde; aber er wirkte arrogant wie eh und je. Nach langem Schweigen erwiderte er. »Soll das heißen, Ihr werft mir vor, gegen die Prinzipien des Rates zu verstoßen?« Ungläubig hob er die gefesselten Hände.
»Wie könnte ich? Ich, ein Neuling, der mit seiner ersten Bittschrift vorstellig wird? Ich kenne die anderen Lords ja kaum. Glaubt Ihr wirklich, ich wollte die anderen Ratsmitglieder zum Meineid anstiften? Vai dom, merkt Ihr nicht, wie dumm und überflüssig dergleichen Vorwürfe sind? Wir haben gekämpft, und Ihr habt gesiegt. Es ist unnötig, jetzt noch Eure Tugendhaftigkeit herauszustellen oder mich zu beschuldigen.«
Deslucido machte Anstalten, vor Rafael niederzuknien, doch die Eisenschellen an seinen Knöcheln hinderten ihn daran. »Ihr habt die Schlacht gewonnen«, sagte er glatt und unterwürfig. »Ich bin Euer Gefangener, jedenfalls so lange, bis wir uns einigen. Was wollt Ihr mehr?«
»Etwas, das Euch offenbar kein Begriff ist«, konterte Rafael eisig. »Die Wahrheit.«
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Ihr redet. Bei der Versammlung haben wir uns alle dem Wahrheitsbann unterworfen. Ihr wart selbst dabei. Ihr habt mich sprechen hören. Ihr habt das Leuchten auf meinem Gesicht gesehen.«
»Ich habe Euch gehört und gesehen«, bestätigte Rafael. »Doch um Eure Frage zu beantworten: Was ich jetzt von Euch verlange, ist eine Erklärung, wie Euch das gelungen ist.«
»Was soll mir gelungen sein?«
»Unter dem Wahrheitsbann vorsätzlich zu lügen.«
Deslucido blinzelte scheinbar verwirrt, ein Musterbild gekränkter Unschuld. Er öffnete den Mund, doch kein Wort kam heraus.
Sein Blick schweifte ziellos durch das Zelt, als suchte er nach einer Fluchtmöglichkeit. Dann sah er Taniquel an. So hasserfüllt waren seine Augen, dass die junge Frau sich zusammennehmen musste, um seinen Blick zu ertragen. Sein Mund verzerrte sich, seine Wangen röteten sich. »Diese… diese ungeheuerliche Anschuldigung ist Euer Werk!«
Er wandte sich wieder an Rafael. »Ich weiß nicht, was sie Euch alles erzählt hat, aber sie ist nichts als eine verzogene, ränkesüchtige kleine Hexe. Nichts kümmert sie außer ihren eigenen Launen! Sie würde alles sagen oder tun, um Unfrieden zu stiften,
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