Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
zu beauftragen, die Stadtältesten aufzusuchen. Er sollte sich von ihnen die Probleme in der Stadt schildern lassen und gegebenenfalls Hilfe anbieten. Dann erst eilte sie hinter Demiana und Graciela her und über die Brücke.
Als sie an dem Schutthaufen vorbeikamen, der einst ein Wunder der Baukunst gewesen war, schauderte es Taniquel unwillkürlich. Von nahem spendete das Feuer keine Wärme. Für einen Moment glaubte Taniquel, dass die Flammen ihre Farbe dem durchscheinenden, hellblauen Stein verdankten. Hier und dort, wo die Trümmer von unten herauf glühten wie glimmende Holz scheite, war die Oberfläche so gleißend hell, dass es in den Augen wehtat.
Mit knappen Worten stellte Demiana ihr Bernardo vor, den Bewahrer des Turms von Neskaya. Sein Gesicht war hager und fahl, die Augen hatten einen gequälten Ausdruck, doch er besaß unverkennbar Autorität. Zu Taniquels Erleichterung machte er keine Anstalten aufzustehen, obwohl seine Hände unruhig über das ungebleichte Baumwolllaken fuhren.
Als Demiana verkündete: »Das hier ist Coryns Taniquel«, lächelte Bernardo. Ohne nachzudenken ging Taniquel neben seinem Lager in die Hocke und umfasste mit beiden Händen seine.
Trotz der Farbe seiner Haut fühlte diese sich warm an, ein gutes Zeichen, wie sie fand.
»Verzweifle nicht, mein Kind, und mach dir keine Vorwürfe«, flüsterte er.
»Wie meint Ihr das?« Plötzlich klopfte Taniquels Herz heftig.
»Das reicht jetzt«, sagte Demiana. »Er braucht seine Kraft für sich selbst, nicht für Gespräche.« Sie blickte den Älteren streng an.
Taniquel stand auf. »Was hat er damit gemeint?«
»Dort drüben liegt Coryn. Beziehungsweise das, was noch von ihm übrig ist.« Die Leronis deutete auf eine Ecke am anderen Ende des Raumes, die mit über Seile gehängten Laken abgeteilt war. Eine verborgene Lichtquelle warf von innen tanzende Schatten auf die Stoffbahnen. Demiana machte keine Anstalten, Taniquel zurückzuhalten, als diese zwischen den Vorhängen hindurchschlüpfte.
In der kleinen, provisorischen Kammer war es warm. Die abgestandene Luft schnürte Taniquel die Kehle zu. Auf einem Lager aus gefalteten Decken ruhte ein Mann, die Füße zeigten in Richtung Eingang. Seine Arme lagen bewegungslos am Körper, die schlaffen Beine waren gerade ausgestreckt. Er war bewusstlos.
Um seine Hüften war ein sauberer Streifen Linex geschlungen, ansonsten war er nackt. Sein Gesicht war zur Wand gedreht, sodass Taniquel nur den hellroten Haarschopf sah. Die Brust war das Einzige an ihm, was sich bewegte; sie hob und senkte sich in flachen, unregelmäßigen Atemzügen.
Taniquel stand wie versteinert. Sie starrte auf die schwelenden blauweißen Flecken, die den Körper des Bewusstlosen bedeckten, und sog den Geruch nach erhitztem Kupfer ein.
»Coryn?« Sie sank neben dem Lager auf die Knie. Sie betrachtete einen der Flecken aus der Nähe. Es war, als blickte man in einen Ofen, in dem die Asche noch glühte. Mit der flachen Hand berührte sie behutsam ein Stück unversehrte Haut. Sie fühlte sich glatt und straff an. Taniquel dachte an Haftfeuer, das sich immer weiter fraß, bis es entweder herausgeschnitten wurde oder keine Nahrung mehr fand. Doch das hier war etwas anderes, vielleicht ein spezielles Laran-Haftfeuer. Blau war die Farbe der Sternensteine und des Steinfeuers, das einen ganzen Turm zum Einsturz gebracht hatte.
Als sie den Vorhang hinter sich rascheln hörte, drehte sie sich um. Es war Demiana.
»Was fehlt ihm? Könnt Ihr - das Feuer nicht löschen?«
»Wir haben es versucht«, erwiderte die Leronis mit dumpfer, wie von weither kommender Stimme.
Was hatte Bernardo vorhin gemurmelt? Verzweifle nicht… ?
Demiana war vielleicht noch nicht völlig verzweifelt, aber sie stand kurz davor.
»Wir haben es versucht«, wiederholte Demiana bedrückt. »Das, was Ihr da seht - dieses Feuer -, kann nicht von außen gelöscht werden. Während der Schlacht hat er den Rückstoß durch die Energiekanäle seines Körpers geleitet. Er führte ihn irgendwohin ab, in uns unbekannte Gefilde der Überwelt.« Sie rang sichtlich um Fassung. »Wir nehmen an, dass er sich noch immer dort aufhält oder dass er schon tot ist und wir nur noch die unwillkürlichen Reflexe des Körpers beobachten. So, wie das Herz noch eine Weile weiterschlägt, wenn die Seele schon entflohen ist.«
»Und Ihr - was glaubt Ihr?«, erkundigte Taniquel sich.
»Wenn Ihr es unbedingt wissen wollt… Ich glaube, es ist zu spät. Ich glaube, dass er starb,
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