Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
steckte es jedoch nicht weg. Rafe rührte sich nicht vom Fleck.
Der Blick der Frau wurde zornig, und sie sah aus, als würde sie gleich mit dem Fuß aufstampfen und sie alle ausschimpfen wie unartige Kinder. Stattdessen sagte sie ruhig: »Dieser Junge und sein Führer stehen fortan unter meinem Schutz. Ihr werdet ihnen kein Leid antun, und Ihr«, sagte sie mit einem Blick in Rafes Richtung, der Coryn wieder zum Zittern brachte, »werdet aufhören, meinen Geleitschutz zu bedrohen.«
»Aber Lady… «, protestierte der Hauptmann.
»Ist das klar?« Sie hatte die Stimme nicht erhoben, doch ihre Worte waren auch so kraftvoll genug.
Coryns Knie wurden butterweich. Wenn er ein Messer gehalten hätte, dachte er, hätte er es umgehend fallen lassen. Der Storn-Mann sah so aus, als wolle er genau das tun, bevor er sein Schwert hastig wegsteckte. Auch Rafes Waffen verschwanden - die lange Klinge wieder in die Scheide, das Wurfmesser dorthin, woher es gekommen war.
Als die Frau sich auf Coryn zubewegte, sah er, dass sie gar nicht mehr jung war. Silber färbte die Spitzen ihrer kupfernen Locken, und ein Geflecht dünner Linien rahmten Augen und Lippen ein.
Die Andeutung eines Lächelns umspielte ihre Mundwinkel. »Begleitet mich, Chiyu. Wir haben viel zu besprechen.«
Sie wandte sich um und verschwand in der Dunkelheit. Coryn folgte, seine Füße waren außer Stande, etwas anderes zu tun. Ein paar Schritte jenseits des Feuerscheins entstand ein Ball aus weißem Licht über ihrer ausgestreckten Hand.
Eine Zauberin!
Sie wandte sich ihm mit einem Lächeln zu. »Wohl kaum. Wir aus den Türmen betreiben keine Magie, wie Ihr bald erfahren werdet.«
»Wer seid Ihr?«, platzte Coryn heraus und fühlte sich dabei töricht.
»Bronwyn von Tramontana, Leronis des Dritten Kreises.«
»Tramontana! Dorthin bin ich unterwegs!«
Lady Bronwyn hielt inne, und die Lichtkugel erhellte flackernd ihre Züge. »Und wer seid Ihr, der Ihr für den Turm bestimmt seid?«
Coryn zögerte. Der Bewaffnete von Storn hatte schon erkannt, dass er aus Verdanta stammte. Wenn sie nun erfuhren, dass er Lord Beltrans Sohn war, wenn auch nur ein dritter Sohn, der nicht erben würde, nahmen sie ihn vielleicht als Geisel oder Schlimmeres.
»Hört zu«, sagte die Lady barsch. »Es ist mir gleich, ob Ihr aus Verdanta, Valeron oder von der anderen Seite des Walls um die Welt seid. Es ist Euch gelungen, mich mit Eurem bloßen Verstand zu erreichen. Habt Ihr überhaupt eine Ahnung, was es heißt, so etwas in Eurem Alter zu können? Glaubt Ihr, wir ließen ein solches Laran-Talent frei herumlaufen? Oder war Euch nicht klar, was Ihr getan habt?«
Einen Moment lang war er wieder in der steinernen Unterkunft mit dem Geröllhagel und den Felsen, die die Bergflanke herabprasselten. Blaue Flammen nagten wieder an ihm. Die Gerüche von Blut und Furcht erfüllten die Dunkelheit.
»Ihr klingt gar nicht wie - wie die Stimme, die ich hörte.«
Der Feuerball über Lady Bronwyns Hand schrumpfte zur Größe eines Stecknadelkopfes. »Wie meint Ihr das?«, sagte sie, und ihre Stimme erklang wie aus weiter Ferne.
»Glocken«, flüsterte er und griff vergeblich nach der Erinnerung, nach etwas, an dem er sich festhalten konnte. »Silberne Glocken.«
Silberne - silberne - silberne…
Das Wort kippte seitlich weg und verging. Coryns Kiefer schlossen sich krampfhaft, seine Rücken- und Beinmuskeln zuckten. Atem zischte zwischen seinen Zähnen hindurch, hielt dann inne. Schmerz bohrte sich seine Waden hoch, seine Oberschenkel, seine Arme. Feuer explodierte im Sonnengeflecht. Er rang nach Atem.
Undeutlich merkte Coryn, dass sein Körper schwankte. Schattenhafte Hände streckten sich nach ihm aus, um ihn aufzufangen, seinen Sturz abzufedern. Unter seinem Rücken fühlte der Boden sich stechend und kalt an. Er hörte eine Frauenstimme, klingende Glocken, gebrüllte Befehle.
»Nein, lasst ihn nicht los. Holt mir mein Bündel aus dem Lager - schnell!«
Schritte verklangen, tauchten dann wieder auf. Eine Hand, weich und warm, strich ihm über die Stirn, umschloss seine Finger. Eine vertraute Stimme flüsterte in seinen Gedanken: Erlaube mir, dass ich dich hindurchführe. Die Schwellenkrankheit kann beängstigend sein. Aber du bist nicht allein, ich bin hier, um dir zu helfen… ja, so ist es richtig, atme sanft. Ich bin hier bei dir…
»Wer ist das denn«, erklang eine neue Stimme wie die eines schmollenden Kindes.
»Sei still.« Lady Bronwyn sprach erneut. »Einer von euch,
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