Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
nach Tramontana untersagt hatte! Er dachte an den Tag verzweifelter, knochenzermürbender Arbeit, an den würgenden Rauch, den Verlust so vieler Nussbäume und den Hunger in den kommenden Wintern. Wie hatten sie sich einfach zurücklehnen und das Feuer brennen lassen können? Was für Monster waren das eigentlich?
»Nein, nur einfach Liane… «
»Storn?« Und doch sah sie nicht wie ein Monster aus, auch wenn sie zweifellos ein wenig hochnäsig war…
»Wir sollten nicht mit unseren Familien prahlen«, erwiderte sie schroff und sprang auf. »Und wenn du nicht aufhörst, auf diesem Namen herumzureiten, komme ich nicht wieder und besuche dich morgen nicht!« Sie nahm das Tablett, warf den Kopf mit ihren flachsroten Zöpfen nach hinten und begab sich zur Tür.
»Gut so!«, brach es aus Coryn hervor. »Ich will nie wieder einen aus diesem Storn-Nest sehen, selbstgerecht, wie ihr seid, mit so viel Grips wie ein Cralmac!«
Sie fuhr herum, die Wangen auf Grund der Kränkung gerötet.
»Du! Du Nichts aus dem Nirgends! Du warst nichts weiter als eine halb ersoffene Ratte, als wir dich retteten! Wie kannst du es wagen, so über meine Familie zu sprechen!«
»Verschwinde!«
Liane riss den Vorhang zur Seite und schlug die Tür hinter sich zu. Ihre raschen, leichten Schritte verklangen, und Coryn war wieder allein, fühlte sich so elend wie noch nie zuvor.
Coryn blieb noch einen weiteren Tag im Bett und wurde immer ruheloser. Er langweilte sich. Die Mahlzeiten brachte ihm Marisela, eine fröhlich Matrone, die immer die Decken glatt strich und ihm fest um den Körper wickelte. Gareth untersuchte ihn morgens und abends.
»Laran strömt in besonderen Kanälen durch den Körper«, erklärte Gareth. »Aber diese Kanäle befördern auch sexuelle Energie. Bei manchen Menschen erwacht das Laran im jugendlichen Alter, wenn sexuelle Gefühle sich zu regen beginnen, sodass die Kanäle besonders empfindlich gegen Überlastung sind. Das ist einer der Gründe für die Schwellenkrankheit. Mit etwas Pflege und Ausbildung braucht das kein größeres Problem zu sein. Du wirst lernen, dich selbst zu überwachen und herauszufinden, was du tun und lassen solltest.«
»Ihr meint, ich habe das irgendwie selbst bewirkt?«, fragte Coryn schaudernd.
»Keineswegs.« Gareth schüttelte den Kopf. »Wenn man davon absieht, dass du herangewachsen bist. Du… du scheinst das Schlimmste schon überstanden zu haben.«
Der Überwacher erhob sich, als eine Gestalt in fließenden roten Gewändern das Zimmer betrat. Obwohl ihre Bewegungen ruhig und sparsam waren, schien durch ihre Anwesenheit auf einmal alles zu vibrieren. Zunächst wusste Coryn nicht, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, denn das Gesicht war bartlos, das Kinn zerbrechlich. Ein feines Flechtwerk aus Linien bedeckte die blasse Haut. Haar in der Farbe des Mondlichts nutete über schlanke Schultern.
»Gareth, bitte«, sagte der Neuankömmling und bedeutete dem Überwacher, sich wieder zu setzen, dann lächelte er Coryn an.
»Ich bin Kieran, der Bewahrer des Dritten Kreises hier in Tramontana und dein Verwandter.«
Das musste der Aillard-Vetter sein, von dem Lord Leynier gesprochen hatte. Beim Klang der Stimme dachte Coryn, dass es sich um einen Mann handeln müsste, möglicherweise um einen dieser Sandalenträger, die nie an einer Beschäftigung für echte Männer teilgenommen hatten. Coryn war selbst ein wenig von den Stallburschen verspottet worden, als bekannt geworden war, dass er in einen Turm gehen würde. Aber der glühende Blick, mit dem er jetzt gemustert wurde, hatte nichts Schwächliches an sich, und an der sicheren Art, mit der diese schlanken sechsfingrigen Hände gestikulierten, war nichts Weibliches.
»Verzeih mir, junger Coryn, dass ich dich nicht früher willkommen geheißen habe. Es geschah nicht aus mangelnder Sorge um dich, denn Gareth versicherte mir, dass du dich gut erholst, und er ist unser fähigster Überwacher.«
Coryn hatte den Eindruck, dass er etwas sagen sollte. Obwohl Kieran Aillard klein von Gestalt war, erfüllte seine Energie das Zimmer. Seine leicht zerstreute Art, als wäre er in Gedanken bei anderen, größeren Dingen, verstärkte noch seine Aura der Macht.
»Mmein Vater entbietet Euch Grüße«, stammelte Coryn, »und lässt Euch für Eure Hilfe beim Feuer danken.«
»Das sagte dein Diener Rafe schon. Wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt - wir hier in Tramontana -, an dem wir nichts Sinnvolleres zu tun haben, als Waffen
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