Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Hause gedacht, an Vater und Kristlin, daran, ihnen die feuerlöschenden Chemikalien zu bringen, wie ich es mir immer erträumt hatte. Und plötzlich… war ich an einem anderen Ort, in einem anderen Körper... einem sterbenden Körper, Kristlins Körper.
»Meine Schwester… mein Vater… Dunkle Avarra, hab Erbarmen mit uns allen!«
Auf Kierans Vorschlag hin holte Coryn seinen Sternenstein heraus und konzentrierte sich, versuchte noch einmal, geistige Verbindung mit Kristlin oder seinem Vater oder auch nur einem seiner anderen Geschwister aufzunehmen. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, und seine Finger verkrampften sich, aber er konnte Kristlins Lebenskraft nicht spüren. Petro, Margarida, sogar Tessa wusste er noch am Leben. Bei Eddard war er sich nicht sicher, denn die Antwortwoge aus Trauer und Entsetzen, wenn er an seinen ältesten Bruder dachte, war zu stark, als dass er sie hätte durchdringen können. Und was seinen Vater anging, so spürte er lediglich Leere.
Auch Kieran konnte mit niemandem in Verdanta Verbindung aufnehmen. Niemand dort war im Gebrauch seines Sternensteins geschult. »Nicht einmal ich kann mit meinem Geist so weit reichen«, sagte er, »denn obwohl mich Blutsbande mit deiner Familie verknüpfen, kenne ich diese Leute nicht. Dich verbindet ein weitaus tieferes Band, besonders mit deiner Schwester.«
Aber Rumail hat Neskaya erreicht, als er während des Feuers um Hilfe ersuchte.
»Rumail ist ein starker Telepath«, antwortete Kieran laut. »Und er wurde viele Jahre lang zusammen mit den Leuten von Neskaya ausgebildet. Das bedeutet nicht, dass du jetzt versagt hast.«
Kierans Worte brachten zwar wenig Trost, aber seine Anwesenheit linderte den Schmerz. Coryn hatte sich Kierans Energiesignatur immer als Felsentor vorgestellt. Nun, als die Stunden bis zum Morgengrauen sich endlos zu dehnen schienen, drang die innere Ruhe des alten Bewahrers zu Coryn durch und festigte ihn.
»Wir werden eine Nachricht durch die Relais leiten«, sagte Kieran, als er sich anschickte, Coryns Kammer zu verlassen und seine eigene aufzusuchen. »Vielleicht weiß in Neskaya jemand etwas über deine Familie.«
»Ich muss nach Hause. Ich muss mich selbst überzeugen«, sagte Coryn und setzte sich mühsam auf. Das Zimmer verschwamm vor seinen Augen. Als er hustete, schoss ein rasender Schmerz durch seine Brust.
Kieran strich mit den Fingerspitzen über Coryns Gesicht. Coryn hatte den Eindruck, dass die Berührung wie erstarrtes Feuer brannte. Er fröstelte.
In deinem Zustand kannst du nirgendwohin. Dein Energiekörper befand sich in Resonanz mit dem deiner Schwester, und das hat deine physischen Lungen beeinträchtigt. Das ist ein sehr gefährlicher Zustand. Gareth und auch Liane, wenn sie dazu in der Lage ist, werden dich überwachen, bis deine Kanäle wieder frei sind.
Coryn vernahm ein fernes Heulen, wie von einem Banshee auf einem Berg, wie von Wind, der durch eine verlassene Burg streicht, wie von einem Schneesturm auf öden Anhöhen, und erkannte darin seinen eigenen Kummer.
Der Falke ist vom Himmel gestürzt, dachte er benommen. War das ein Omen?
Einen Zehntag später erwachte Coryn mit rasendem Hunger aus dem Schlaf. Gareth wertete das als gutes Zeichen, denn ein Körper benötigt Nahrung, um sich regenerieren und die Störung in seinen Energiekanälen beseitigen zu können. Die äußeren Verletzungen, die Verbrennungen an seinen Händen, waren bis auf eine leichte Rötung, die rasch nachließ, schon verheilt.
Er begab sich in die Küche hinunter, wo Gareth und Marisela, die Haushälterin, über Schüsseln mit geschmortem Rabbithorn saßen. Dampf, der das Aroma wilder Pilze und von Rosmarin mit sich trug, stieg aus dem riesigen Topf auf, und fünf Laibe Brot im Getreidemantel standen zum Auskühlen auf einem Regal. Die letzten paar Scheiben vom sechsten Laib lagen zusammen mit etwas weichem Chervine-Käse auf einem Tablett. Coryn bediente sich und setzte sich zu ihnen, froh über ihre unbeschwerte Gesellschaft. Er erinnerte sich, wie er damals in Verdanta immer mit Petro und Margarida am Küchentisch gesessen und Nussecken und übrig gebliebene Fleischpasteten gemampft hatte.
Nein, es war gefährlich, an zu Hause zu denken. An zu Hause, und daran, was dort vielleicht - mit Sicherheit - geschehen war.
Der Drang, nach Hause zu reiten, war zusammen mit seiner Gesundheit wiedergekehrt, aber Kieran hatte es rundweg verboten.
Erst wenn wir wirklich mit Sicherheit wissen, was geschehen
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