Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Vaters erben würde. Doch Liane, egal wie viele ältere Schwestern sie haben mochte, konnte ihrer Familie immer noch einen mächtigen Schwiegersohn bescheren.
Als er die Augen schloss, spürte er ihren Schmerz wie das Prickeln kleiner Messer auf seiner Haut. Er tastete mit seinem Laran nach ihr. Während Bronwyn immer das Bild hell klingender Silberglöckchen in ihm ausgelöst hatte und Kieran ihm stets wie ein schneebedecktes Felsentor erschienen war, kam Liane ihm wie dicke, von der Sonne gewärmte Seide vor. Sie war eine natürliche Überwacherin, denn egal wie sehr die Arbeit an den Relais oder im Matrix-Kreis ihn ausgelaugt hatte, egal wie weit er seinen unterkühlten, steifen Körper hinter sich gelassen hatte, sie konnte ohne den geringsten Anschein von Aufdringlichkeit seinen Herzschlag beruhigen und ihm ein Gefühl von Wärme vermitteln. Und all diese großartigen Talente, ihre rasche Auffassungsgabe, ihr unabhängiger Geist, all dies würde sie wegwerfen müssen, um irgendeinem feisten Lord, der vermutlich schon drei Frauen unter die Erde gebracht hatte, als Brutmaschine für Söhne zu dienen.
Coryn schob diesen Gedanken zur Seite und konzentrierte sich stattdessen auf die Vorstellung von Spinnenseide, durch die ein leichter Wind streicht. Er sah, wie das Gespinst in die eine Richtung gezogen wurde und wie es in der anderen Falten schlug.
Seine Hand strich darüber und glättete die Falten.
Mit einem kaum hörbaren Seufzer hieß Liane seine mentale Berührung willkommen. Unter seiner Liebkosung verwandelte die zerknitterte Seide sich in rundliche Bäusche, die sanft durch die warme, nach Regen riechende Luft trieben. Aus dem matten Grau wurde ein Blau, das an den Rändern einen violetten Farbton annahm.
Ermutigt begab Coryn sich tiefer. Durch die Umrisse ihres Körpers hindurch sah er Ströme von Licht, Kanäle, die Laran-Energien beförderten. Die meisten waren goldweiß vor Gesundheit, doch dort, unweit ihres Herzens, verliefen Fasern, die sich zu Orange, fast zu Rot verdunkelten. Zu seiner Erleichterung waren das nicht die Zentren, die sexuelle Energie transportierten, denn als Überwacherin wusste sie nur zu gut, wie gefährlich es war, ihren Fluss zu unterbrechen. Was auch immer sie für Aran empfinden mochte, sie hatte akzeptiert, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte. Aran liebte sie auf seine Weise, mehr nicht. Jetzt war sie nur noch tief betrübt bei der Vorstellung, Tramontana verlassen zu müssen.
So behutsam, wie er die Seide geglättet hatte, entwirrte er die orangeroten Energieströme und löste einen nach dem anderen, bis alle blassgelb leuchteten. Als er damit fertig war, ruhte er sich erst eine Weile aus, bevor er sich in seinen eigenen Körper zurückzog. An diesem Ort, durch ein Laran-Band in größerer Intimität verbunden, als jede sexuelle Vereinigung sie bieten konnte, kannten und vertrauten sie einander vorbehaltlos.
Er öffnete die Augen und stellte fest, dass Liane ihn mit einem eigenartigen Ausdruck ansah. »Danke«, sagte sie. »Das hast du gut gemacht.« Sie erhob sich und gähnte verstohlen in die Hand.
»Du könntest Bewahrer werden, weißt du das?« Sie begab sich zu ihrer Unterkunft und ließ ihn verblüfft zurück. Ihm fiel keine Antwort ein.
Die Nacht lag wie ein Tuch aus schwarzem Samt über dem Turm von Tramontana und den umgebenden Gipfeln. Das letzte Licht der weißen Perle Mormallor war schon lange verblichen, und nur das schwache Band der Milchstraße unterbrach noch die Schwärze, denn dies war eine der wenigen Jahreszeiten, zu denen keiner der vier Monde von Darkover am Himmel stand. In der Mitte des größten Labors glühten riesige Matrix-Schirme und legten wie bei einem Wahrheitsbann ein gespenstisches blaues Leuchten auf das Gesicht der Arbeiter. Verkorkte Glasgefäße vor ihnen enthielten Puder und siedende Flüssigkeiten, das Rohmaterial für die Arbeit der Nacht, und leere Behälter erwarteten das fertige Produkt.
Coryn spürte, wie die Energie aus den Schirmen pulsierte: Dutzende einzelner Sternensteine, die in einem kristallinen Gitternetz gehalten wurden und auf eine Weise miteinander verbunden waren, dass sie das Laran des Kreises leiteten und verstärkten. Er schloss die Augen, um sich besser auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren zu können. Von Zeit zu Zeit spürte er Kierans sichere Anweisungen oder die Berührung von Gareth, der in dieser Nacht Überwacher war, da Liane wegen ihrer Periode vorübergehend nicht arbeiten
Weitere Kostenlose Bücher