Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
wäre nichts passiert? Um Himmels willen, hält mein Bruder mich für dermaßen gefühllos oder glaubt er, der Turm hätte mich des letzten Quäntchens Mut beraubt?«
Wir hätten dich fast an die Schwellenkrankheit verloren, übermittelte Kieran ihm geistig. Ich werde nicht zulassen, dass du wegen einer verfluchten Seuche noch ein Mal dein Leben aufs Spiel setzt.
»Wenn deinen Brüdern etwas zustößt, wirst du der nächste Lord von Verdanta«, beschwor Aran ihn. »Du musst hier bleiben, wo du in Sicherheit bist.«
»Wenn dieses Grauen vorbei ist, muss es noch jemanden geben, der sich High Kinnally entgegenstellen kann«, fügte Rafe hinzu, und seine Stimme hatte einen eisigen Unterton.
»Kinnally… « Lianes Familie! »Hat die Seuche auch Storn heimgesucht?«
»Wer weiß?« Rafe sah aus, als wolle er ausspeien, wagte das jedoch hier in den Privatgemächern des Bewahrers nicht. »Wir haben ihnen keine Kunde geschickt und sie uns auch keine! Jedenfalls behauptet Lord Eddard das.«
»Aus Neskaya drang ebenfalls keine Kunde«, merkte Kieran sanft an, was bedeutete, dass über die Relais keine Nachrichten verbreitet worden oder Hinweise erfolgt waren, wer verantwortlich sein könnte.
Erneut dachte Coryn daran, nach Hause zurückzukehren, doch er hatte den verzweifelten Überlebenden nichts zu bieten, nicht einmal Geld, um Lebensmittel für den nächsten Winter zu kaufen. Er konnte nicht einfach untätig in Tramontana herumsitzen.
Aber er konnte auch nichts tun, um Lord Beltran oder Kristlin zurückzubringen oder den Verlauf der Seuche zu ändern.
Plötzlich fiel ihm ein, wie er doch etwas tun konnte, selbst aus dieser Entfernung. Nicht im Hinblick auf diese Krise, sondern auf andere, die noch kommen würden.
»Mit Eurer Erlaubnis«, sagte er, nickte Kieran zu und wandte sich dann an Rafe, »werde ich diesem braven Mann einen Botenvogel nach Hause mitgeben und meinem Bruder ausrichten lassen, dass er ihn im Falle eines Waldbrands freigeben soll. Dann werde ich Chemikalien schicken, die ich selbst hergestellt habe.«
»Das ist ein gutes Angebot«, sagte Kieran. »Nun, junger Aran, bring diesen Mann hinunter in die Küche, damit er etwas Warmes zu essen bekommt, und gib Acht, dass sein Tier gut versorgt wird. Sie haben sich beide etwas Ruhe verdient.«
Coryn blieb noch in den Gemächern des Bewahrers, nachdem die anderen schon fort waren. Seine Gedanken überschlugen sich.
Es gab so viel, wovon er sich wünschte, es gesagt zu haben oder dass es ungesagt geblieben wäre. Nun, da die Nachricht eingetroffen war, durchdrang der Schmerz seinen Körper wie ein Pfeil mit einer Flammenspitze, nur um im nächsten Moment Taubheit zu weichen.
»Das ist ein schwerer Verlust«, sagte Kieran. »Und solche Dinge bedürfen einer langen Zeit der Trauer, selbst wenn wir sie vorhergesehen haben. Ich glaube, dass wir weniger vergessen als vielmehr ein neues Gleichgewicht erreichen müssen.« Etwas in seinem Tonfall sagte Coryn, dass er aus eigener Erfahrung sprach.
»Du brauchst uns für eine Weile nicht im Kreis zu unterstützen.«
»Ich… ich möchte gern arbeiten. Ich glaube, es würde mir helfen, nicht immer an… all die Dinge zu denken, die mir im Kopf herumgehen.«
»Manchmal ist es so besser. Wenn du das willst, musst du dich erst von Gareth untersuchen lassen, um sicherzugehen, dass du auch arbeitsfähig bist. Kummer kann unser Urteilsvermögen in vieler Hinsicht beeinträchtigen, nicht zuletzt unsere eigene Klarheit.«
Das ergab Sinn, selbst in Coryns benommenem Zustand. Er kehrte in sein Zimmer zurück, wo er für eine Zeitspanne, die ihm wie eine Ewigkeit erschien, zusammengekrümmt auf der Bettdecke lag, bis Liane hereinkam. Sie legte sich neben ihn, schmiegte ihren Körper an seinen, schlang die Arme um ihn und hielt ihn, bis stumme Tränen kamen und gingen und er schließlich einschlief.
10
»Der alte Mann und das Mädchen sind also tot.« Damian Deslucido stand mit seinem Bruder auf dem Balkon seiner Privatgemächer. Der Herbst wich rasch dem Winter, und selbst in Ambervales geschützten Tälern blies der Wind schon mit eisiger Schärfe.
Damian war zu lange müßig gewesen und hatte den barmherzigen König gespielt, und seine Untätigkeit wurmte ihn.
Rumail zog den Mantel enger um sich und antwortete nicht. Es war ein Jammer, überlegte Damian, dass sie seinem Bruder auf die Schliche gekommen waren, bevor er das Laran-Gerät hatte fertig stellen können, der das Mädchen beschützten sollte. Damian hatte
Weitere Kostenlose Bücher