Darkover 05 - Zandrus Schmiede
Richtung oder Begrenzung verstörte ihn. Es wäre, als lebte man ohne Ziel und Zweck. »Wollen wir denn keine nützliche Arbeit leisten?«
Es war nicht klar, ob Loryn Eduins Unbehagen bemerkte, denn er reagierte nicht darauf. »Wir haben nicht einmal angefangen zu entdecken, wie unsere Begabung benutzt werden kann. Glaubst du wirklich, dass man uns Talent und Intelligenz, nicht zu reden von den Privilegien unserer Kaste, gegeben hat, damit wir unser Leben damit verbringen, Waffen für einen kleinlichen Krieg nach dem anderen herzustellen? Oder die Paläste von Königen zu beleuchten, während Bauern im Dunkeln leben?« Er richtete sich auf, und angesichts seiner Ausstrahlung von Besonderheit erinnerte Eduin sich daran, dass er als Bewahrer am Ende nur gegenüber seinem eigenen Gewissen verantwortlich war.
Eduin hatte nie zuvor einen Bewahrer erlebt, dessen Denken seinen eigenen Ideen so nahe kam. Galle stieg ihm in die Kehle bei dem Gedanken, was er tun musste - dass er das Vertrauen dieser Menschen verraten musste.
»Verzeih mir, wenn ich respektlos war«, sagte er. »Ich habe es nicht so gemeint.«
»Du bist noch neu hier«, sagte Loryn. »Wenn es eines gibt, was ich in diesem Turm wünsche, ist es Freiheit für jeden, seine eigene Vision zu entdecken. Es ist keine leichte Aufgabe, all diese Personen zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen, aber es ist immer die Anstrengung wert. Wir leben in einer komplizierten Welt, wo es keine einfachen Antworten gibt. Jedermann, vom höchsten Comyn zum niedrigsten Bauern, hat seine eigene Ansicht darüber, was auf dieser Welt gut und schlecht ist und wie man es richtig machen kann. Glaubst du, dass die Position eines einzelnen Menschen besondere Weisheit verleiht, die über die von anderen hinausgeht? Selbst wenn wir in die Zukunft schauen könnten, wie es Allart Hastur angeblich konnte, würden wir uns immer noch nicht auf einen einzigen Kurs einigen können.«
»Aber wie sollen Menschen dann zu Entscheidungen kommen?«, rief Eduin. »Warum laufen wir dann nicht Amok, und jeder folgt seiner eigenen Neigung?«
»Weil wir Menschen sind und keine Tiere, denen es an Vernunft fehlt und die an nichts weiter als an die Befriedigung eines momentanen Bedürfnisses denken«, sagte Loryn ernst. »Weil wir einander zuhören können, weil wir ebenso Mitgefühl zeigen wie Kritik äußern und das große Ganze bedenken können. Das ist es doch schließlich, was wir häufig tun, bevor wir etwas unternehmen, das unsere eigene Zukunft formt.«
Eduin verbeugte sich, denn er wagte nicht, mehr zu sagen, und entschuldigte sich. Erst als er wieder in seinem Zimmer mit dem telepathischen Dämpfer war, gestattete er sich, sich zu entspannen.
Er sank auf sein Bett und wartete darauf, dass sein Puls sich wieder verlangsamte. Die Atemübungen, die man ihm als Novize beigebracht hatte, halfen dabei, aber seine Gedanken konnte er nicht so einfach bezähmen. Was Loryn angedeutet hatte, war unmöglich: Eine Welt, in der Menschen gemeinsame Entscheidungen trafen. Es würde in einem Turm nicht funktionieren - und für die gesamte Welt eine Katastrophe bedeuten. Wie sollte ein Kreis arbeiten können, ohne sich seinem Bewahrer zu ergeben? Wie konnten Ernten eingebracht, Kinder aufgezogen, Gesetze vollstreckt werden ohne einen Lehnsherrn?
Wenn ein Mensch sein Leben selbst bestimmen könnte…
Er wagte nicht, sich vorzustellen, wie sein eigenes Leben dann aussehen würde. Die Mission seines Vaters hatte seinem Leben Gestalt und Ziel gegeben. Ohne diese Führung - wer war er schon? Was war er? Wie konnte er die Dinge rechtfertigen, die er getan hatte - die Dinge, die er noch tun würde?
Nutzlose Gedanken!
Er schleuderte sie von sich, damit sie seine Mannhaftigkeit nicht vollkommen aus ihm heraussaugten. Auf diesem Weg lagen nur Wahnsinn und Lähmung. Nur Frauen und Feiglinge gaben sich solchen Gedanken hin. Er musste schnell handeln, bevor das Gift dieses Ortes Zeit hatte, in ihm zu arbeiten.
Am nächsten Abend, nach dem Essen und vor der Zeit, wenn die Arbeit im Turm begann, ging er zu Felicia. Er fand sie im Gemeinschaftsraum, wo sie mit einem Becher Kräutertee am westlichen Fenster saß. Das Gebräu roch nach Minze und Honig und etwas anderem, das er nicht benennen konnte. Er hoffte, dass sie keine Frauenprobleme hatte, denn das würde sie kurzfristig von ihrer Arbeit im Kreis abhalten.
In Antwort auf seine Frage lächelte sie sanft. »Danke, Eduin, es geht mir gut. Ich bin nur ein wenig -
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