Darkover 05 - Zandrus Schmiede
ihren bösen Taten. Bevor den Wachtposten eine Antwort einfiel, waren die beiden Freunde schon durch das Tor und in der Stadt.
Anders als Bergstädte wie Nevarsin hatte Hali breite Straßen. In der Mitte jeder Straße war der Schnee gefegt und vor den Gebäuden aufgetürmt. Hier im Flachland war es möglich, die Straßen geräumt zu halten. In den rauen Venza-Hügeln oder den Hellers würden die Schneeverwehungen in dieser Jahreszeit bis zur Taille reichen.
Frauen und ein paar Männer mit von Kälte geröteten Wangen waren hier unterwegs. Sie riefen einander Grüße zu. Einige trugen Körbe mit Waren, die sie ausliefern wollten, Bündel von Feuerholz oder Wassereimer an einem Joch. Ein Mann führte zwei Pack-Chervines, deren Zaumzeug mit Glöckchen besetzt war.
Carolin und Varzil eilten zum Marktplatz, wo ein paar robuste Seelen bereits Buden aufgestellt hatten, die vom Wind geschützt waren. Bauern boten winterliche Waren wie Äpfel, Kohl und Rüben an und dazu Fässer mit frischem Apfelmost. Ein Bäcker hatte vor seinem Laden Bleche mit dampfenden Gewürzbrötchen und geflochtenen Honigkuchen aufgestellt.
»Junge Herren! Versucht meine guten Kuchen!«, rief die Bäckersfrau und wischte sich die Hände an der Schürze. Ihre Wangen glühten in der Kälte.
»Jaco! Heißer Jaco!«, erklang ein Ruf von der anderen Seite des Platzes her und ahmte den Vorsänger einer Cristoforos-Zeremonie nach.
»Äpfel! Wer kauft meine Äpfel! Sie sind so frisch, als wären sie gerade erst gepflückt worden!«
»Bänder! Schöne Bänder für das Haar der Damen!«
Carolin bestellte zwei Becher Jaco und erkannte dann, dass er das Schloss ohne Geld verlassen hatte. Der Händler kannte ihn nicht und misstraute diesem gut gekleideten jungen Mann, der versuchte, seinen Stand auszunutzen, um umsonst ein Getränk zu erhalten. Als Carolin den Mann schon zur Bezahlung zum Schloss schicken wollte, reichte Varzil ihm vier oder fünf kleine Silbermünzen. Der Mann starrte das ihm unbekannte Muster an, das ins Metall gestempelt war, prüfte eine Münze, indem er darauf biss, und steckte sie mit einem Grinsen ein.
»Einen guten Morgen, meine jungen Herrn!«, sagte er.
»Ich habe den Betrag geschätzt, da ich eure Währung nicht kenne«, gab Varzil zu, als sie weitergingen und dabei an den heißen Getränken nippten. »Es war wahrscheinlich zu viel.«
»Zu viel für den Jaco vielleicht, aber nicht für diese Tageszeit und die Becher«, sagte Carolin.
Nach einer Pause stellte Varzil fest: »Er hat dich nicht erkannt.«
»Nein, aber einige der reicheren Kaufleute kennen mich, jene, die schon bei Hof waren. Ich habe hier nur ein paar Jahre gewohnt, bevor ich nach Arilinn gekommen bin. Nein, ich bin kein Städter, weder der Geburt noch der Neigung nach, aber das muss sich jetzt ändern. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, auf dem Landsitz meiner Mutter am Blauen See. Sehr schön im Sommer. Auch friedlich, obwohl ich das damals nicht zu schätzen wusste. In Arilinn hat mir das viel mehr gefehlt als das Schloss hier. Dennoch«, er seufzte, als das Heimweh wieder verging. »Hali ist ein unvergleichlicher Ort. Es gibt nur einen Rhu Fead, in dem die heiligen Gegenstände aufbewahrt werden. Es gibt viele Seen, aber nur einen einzigen hier bei Hali.« Es ist der angemessene Aufenthaltsort für einen Hastur von meiner Herkunft. Der Blaue See war meine Kindheit, Arilinn so etwas wie Ferien. Jetzt beginnt mein wahres Leben.
Varzil schaute nachdenklich drein. »Ich hatte gehofft, den See zu sehen. Man hat mir davon erzählt, seit ich ein Kind war - dass er statt gewöhnlichen Wassers so etwas wie Wolken enthält, die man atmen kann, und dass seltsame Geschöpfe in ihm schwimmen.« Er brauchte nicht hinzuzufügen, dass es für eine solche Expedition nicht genug Zeit geben würde, nicht, nachdem nun ständig mehr Gäste und andere Mitglieder des Hastur-Clans eintrafen, alle darauf aus, die festliche Versammlung für politische Intrigen, Verbindungen und Klatsch zu nutzen.
Und dann, kam der unausgesprochene Gedanke, werden Eduin und ich dich verlassen und nach Arilinn zurückkehren.
Carolin hatte nicht daran gedacht, wie es für Varzil sein musste, hier in Hali zu sein, an einem Ort, den er bisher nur aus Geschichten und Balladen kannte. Noch eine Generation zuvor hätte kein Ridenow sich träumen lassen, sich frei in der Festung der Hasturs bewegen zu können. Er selbst war so besorgt um die Gesundheit seines Onkels und die Nachricht seiner
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