Darkover 06 - Die Flamme von Hali
jung in ihm erwacht war, das jemals ertragen können?
Sie erinnerte sich, vor ihrem Vater Dom Felix gestanden zu haben, halb verrückt in Erwartung des Aufbruchs. Er hatte sich verändert, seit er Varzil seinen Segen gegeben hatte, sich im Arilinn-Turm ausbilden zu lassen. Vorher hatte er sie nie ziehen lassen wollen, nicht einmal, als die Haushalts- Leronis ihn darum gebeten hatte.
» Dyannis schwebt in großer Gefahr, wenn sie hier bleibt, und das wisst Ihr .«
Dyannis, damals etwa im gleichen Alter wie Lerrys heute, hatte die leidenschaftlichen Worte der alten Leronis sogar hier, in ihrem Zimmer, gespürt. Sie schienen noch jetzt, so viele Jahre später, in der Luft zu hängen.
» Die Gefahr rührt nicht von der Schwellenkrankheit her, die Euch Anndra und Sylvie nahm, sondern von der Stärke ihrer Gabe. Ich sage Euch, wenn Ihr sie wie einen Vogel gefangen haltet oder an einen mental blinden Trottel verheiratet, der ein Kind nach dem anderen von ihr haben will oder ihr den unbeugsamen Geist auszutreiben versucht, könnt Ihr ihr auch gleich die Kehle durchschneiden und der Sache hier und jetzt ein Ende bereiten! «
Sie hatte sich zur Halle geschlichen, um seine Antwort zu hören.
» Ich habe schon zu viele verloren, die ich liebte. Meine Gemahlin, zwei meiner Babys, und nun ist auch Varzil gegangen .«
Sanft erfolgte die Antwort der Frau: » Nur dann dürft Ihr hoffen, sie zurückzubekommen – wenn Ihr sie freigebt.«
Und so , dachte Dyannis, hat sich der Kreis für mich geschlossen .
Sensitiv, wie sie war, spürte sie Haralds Rückkehr. Anscheinend erlebte sie die Vergangenheit in mehr als einer Hinsicht neu, als sie den Korridor zu dem Zimmer entlangging, das einst ihrem Vater gehört hatte und jetzt ihrem ältesten Bruder gehörte. Sie klopfte an und hörte, wie er sie aufforderte einzutreten.
Beim Eintritt konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, tiefer in ihre Vergangenheit einzutauchen. Das Vorzimmer hatte noch die gleichen schweren, dunklen polierten Holzstühle, den Tisch mit Schüsseln voller Nüsse, die mit Puderzucker bestäubt waren, den Rost im Kamin, der aus Bruchsteinen zusammengesetzt war. Harald trat zur Seite und stocherte im Anmachholz herum. Einen Augenblick lang sah sie… nicht ihn, sondern ihren Vater. Dann bewegte er sich, und die Illusion löste sich auf.
Sie sammelte sich wie die erfahrene Leronis , die sie war, und setzte sich neben das Feuer. »Ich muss mit dir über Lerrys reden. Sein Laran steht kurz davor zu erwachen, und ich glaube, es wird sehr stark werden. Du solltest Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, für den Fall, dass er die Schwellenkrankheit entwickelt.«
»Er ist bestimmt noch zu jung, und solche Probleme hatten wir schon lange nicht mehr.«
»Er ist nicht zu jung«, sagte sie rundheraus. »Ich habe das schon mal erlebt, in Hali, als eine verspätete Pubertät zu schwerwiegenden Problemen in der sexuellen Energie und im Laran führte. Glaube mir, er ist… «
»Still! Es reicht!«, fuhr Harald sie an. »Du bist vielleicht meine Schwester, aber in meinem Haus erlaube ich keiner Frau, dermaßen schmutzig zu reden.«
Dyannis war so verdutzt, dass sie ihn nur anstarren konnte. Im Turm wurde über körperliche Befindlichkeit und Gesundheit, auch über Sexualität, offen gesprochen, ohne jede Spur von Scham.
»Künftig behältst du diesen Schmutz für dich! Es schickt sich nicht, und es ist auch nicht sittsam, wie es sich für eine ehrbare Frau gehört.«
Sie erhob sich. »Ich rede von der Gesundheit deines Sohnes, vielleicht sogar von seinem Leben. Was könnte ehrbarer sein?«
»Es gibt kein Problem. Er ist ein starker, gesunder Junge.«
»Ja, aber er wird schon bald ein Mann werden, und darin liegt die Gefahr. Hast du vergessen, was mit Anndra und Sylvie geschah?«
»Hörst du wohl auf!« Für einen Augenblick schien es, als wolle er sie schlagen, aber dann wurde sein Tonfall weicher. »Er ist mein Sohn und Erbe. Ich werde ihn nicht von Sweetwater fortschicken.« Wie Varzil fortgeschickt wurde und uns dann verloren ging. Er kehrte nicht einmal nach Hause zurück, als sein Vater starb .
Sie litt von Herzen mit ihm. »Vielleicht wird das nicht nötig sein. Du bist nicht ohne Beistand. Anfangs wurde ich in Hali als Überwacherin ausgebildet, und ich weiß, wie man mit vielen Aspekten der Schwellenkrankheit umgeht. Mit deiner Erlaubnis werde ich mich nach Kräften bemühen.«
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