Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Entschuldigung gefunden. Die restliche Zeit war sie mit der ständigen Ermahnung, es nur nicht zu übertreiben, ihren eigenen Vergnügungen überlassen worden.
Es nur nicht übertreiben? Sie wurde schier wahnsinnig!
Draußen wurden die Gärten und der Hof in pastellfarbenes, buntes Licht getaucht. Wenn sie den Hals reckte, sah sie drei der vier Monde wie Juwelen am Himmel gleißen. Sie konnte ihren Ruf beinahe hören.
Aus einem Impuls heraus zog sie Stiefel und Reisekleidung an. Unten hatten sich schon Bedienstete an die Arbeit gemacht, und der Geruch von gebackenem Brot zog aus der Küche zu ihr herauf.
In den Ställen misteten Männer die Boxen aus und trugen Futter und Eimer mit Wasser hinein. Pferde bewegten sich rastlos. Dyannis, die keine großen Erklärungen abgeben wollte, schlüpfte in den Ausrüstungsraum, nahm sich Zaumzeug und ging zu dem Pferch hinaus, in dem die Arbeitspferde auf der letzten Morgenration Heu herumtrampelten. Es waren zähe, grobknochige Hengste, nicht so eine fügsame Stute wie die von Rohanne. Sie schnaubten und sprangen, als sie sich dem Pferch näherte.
Dyannis schickte ihr Laran aus und besänftigte die nervösen Tiere. Sie beäugten sie wachsam, mit neugierigen Blicken, und erlaubten ihr, sich zwischen ihnen zu bewegen. Sie wählte einen kleinen, stämmigen Rotschimmel, einen Wallach, auf dessen bloßen Rücken sie sich ohne große Mühe würde schwingen können.
Trägst du mich, kleiner Bruder? , fragte sie und strich ihm durch die raue graue Mähne.
Zur Antwort neigte das Pferd den Schädel und drückte seine Schnauze an ihre Schulter. Er blieb reglos stehen, als sie ihm das Zaumzeug überstreifte und die Beißstange ins Maul schob. Unter leisem Zureden führte sie ihn aus dem Pferch. Einer der Stallburschen rief ihr noch etwas nach, aber sie winkte ihm zu und schickte eine mentale Suggestion, dass alles so war, wie es sein sollte, worauf er sich wieder an seine Arbeit machte.
Als sie den Hof hinter sich hatte, streifte sie dem Tier die Zügel über den Kopf, ergriff mit beiden Händen seine Mähne und stieg auf. Sein Rückgrat war knochiger, als sie erwartet hatte, und am nächsten Tag würde sie wund sein, aber das störte sie nicht. Sie schnalzte und spornte ihn mit den Fersen an, trieb ihn zu den hügeligen Weiden. Er trottete bereitwillig los, und als das Anwesen hinter ihnen lag, verfiel er in einen zermürbenden Trab und wechselte dann zu einem schaukelnden Galopp.
Dyannis krallte ihre Hände in die Pferdemähne und spürte, wie die Muskeln des Tiers sich zwischen ihren Beinen anspannten und erschlafften. Wind strich über ihre Wangen und zauste ihr Haar. Sie sog tief den Geruch des Pferdes ein, die Süße des Grases und die kühle Feuchtigkeit des anbrechenden Morgens.
Das Pferd spürte ihre Stimmung und zog an. In diesem Augenblick nahm sie nichts wahr außer der rauschenden Luft und der muskulösen Kraft unter ihr, sah nur den milchigen Himmel hoch oben, die ansteigenden graugrünen Hügel. Sie und das Pferd wurden zu einem einzigen Wesen, das zwischen Erde und Himmel dahinstürmte. Gemeinsam sogen sie Feuer ein und atmeten es wieder aus, zerrten an den Fesseln des Fleisches. Sie spürte Sonne und Wind, Gras und Steine, die Wucht der Knochen und Muskeln.
Lauf davon… lauf weit davon… , erfüllte der Rhythmus der galoppierenden Pferdehufe ihren Geist.
Sie beugte sich dicht über seinen Hals, als könne sie mit dem Tier verschmelzen, ließ alle menschlichen Gedanken hinter sich, jede Erinnerung, sämtliche Wünsche. Über ihr, am heller werdenden Himmel, zogen die Monde ihre Bahn durch das Sternenmeer. Ferne Wesen fochten und paarten sich, schwammen und tanzten, trugen durch ihr Geheul die Pein der Einsamkeit zu den Sternen…
Dyannis wurde so jäh aus ihren Träumereien gerissen, dass das Pferd scheute, erschreckt durch die Unterbrechung des gemeinsamen Bandes. Der Wallach brach seitlich aus und senkte den Schädel, als wolle er buckeln.
Sie hatte etwas gehört, nein - gefühlt . Einzig ein Verstand, der an die Natur angepasst war, hatte die leisen, fernen Harmonien auffangen können.
Die Ya-Männer heulten unter den Monden. Varzil hatte beschrieben, wie er sie in der Jugend gehört hatte, aber damals hatte ihm niemand geglaubt. Sein Vater hatte den Eindruck gehabt, dass seine Fantasie mit ihm durchging, dass er sich täusche und ganz sicher kein nennenswertes Laran besaß. Varzil hatte sich
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