Darkover 06 - Die Flamme von Hali
umgeben. Annalise blickte vom Pflücken des frühen Sommergrüns auf. Ein blonder Wonneproppen von drei oder vier Jahren rannte lachend hinter ihr her.
Als Dyannis ihr anbot, sie bei der Geburt zu unterstützen, errötete die Frau und stammelte: »Oh, aber Ihr seid doch eine große Dame, eine Leronis aus Hali. So jemand steht mir nicht zu… Ich meine… «
»Wenn Not am Mann war, habe ich mich schon oft um einfache Leute, sogar um Bettler, gekümmert«, versicherte ihr Dyannis.
»Bei der Geburt meines ersten Babys war die alte Kyra noch bei mir«, sagte Annalise und schlenkerte die Gartenschuhe von den Füßen, als sie über die Schwelle trat, bevor sie Dyannis mit einer Geste bat einzutreten. »Ich hätte nicht geglaubt, dass es noch zur Welt käme, so lange dauerte es. Nun, da ich weiß, wie es geht, fürchte ich mich nicht mehr so sehr.« Sie hantierte unbeholfen in der Küche, tauchte das Gemüse in einen Topf mit Wasser.
Dyannis dachte an König Carolins erste Gemahlin, die mit ihrem dritten Baby im Kindbett gestorben war. Eine erfolgreiche Schwangerschaft bot nicht zwangsläufig die Gewähr, dass auch bei der nächsten alles gut ging, und bei einer schwer arbeitenden Frau bestand immer ein gewisses Risiko, aber es wäre gefühllos gewesen, ihr das jetzt zu sagen. Das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten war vielleicht die größte Stärke einer Frau.
Sie sagte: »Ich würde dir bei der Geburt gern Gesellschaft leisten, auch wenn du mich nicht brauchst. Das ist doch Frauensache, findest du nicht?«
Daraufhin kicherte Annalise. »Aye, und die Männer sollten sich aus so etwas besser raushalten. Die alte Kyra musste meinen Braulio sogar aus dem Haus werfen!«
Dyannis setzte sich an den sauber geschrubbten Tisch, schlürfte Apfelsaft von der letzten Ernte im Herbst und sah zu, wie der kleine Junge mit einem Stapel wunderschön geschnitzter Holzklötze spielte. Keine Frau kann sich mehr wünschen , dachte sie. Einen guten Ehemann, einen gesunden Sohn, ein eigenes Haus und einen fruchtbaren Garten .
Dann dachte sie, wie als Antwort darauf: Aber ich bin nicht wie jede andere Frau. Ich bin Dyannis von Hali .
Rund einen Zehntag später eilte Braulio mitten in der Nacht zum Herrenhaus hinauf. Bei Annalise hatten die Wehen eingesetzt. Dyannis streifte sich ein altes Kleid von Rella über, eines, bei dem es nichts ausmachte, wenn es schmutzig wurde, und ritt zum Haus. Bei ihrer Ankunft setzte sie als Erstes Braulio vor die Tür.
»Hack Holz«, sagte sie zu ihm, »koch Wasser, und bring mir eine Laterne. Und saubere Tücher! Jede Menge saubere Tücher!«
Annalise schrie vor Erleichterung auf, als Dyannis das Schlafzimmer betrat. Die in den Wehen liegende Frau atmete schwer und schwitzte. Die Nacht war außergewöhnlich warm, selbst für den Frühsommer. Annalise hatte ihre Bettdecke zurückgeschlagen und lag halb nackt auf einer zusammengelegten, häufig geflickten alten Steppdecke. Mit beiden Händen und ihrem Laran überprüfte Dyannis die Lage des Babys. Soweit sie es beurteilen konnte - sie hatte erst bei wenigen Geburten geholfen -, lag der Kopf des Babys fast schon im Geburtskanal.
»Es dauert jetzt nicht mehr lange«, sagte sie zu Annalise. »Eine schöne starke Tochter.« Das hatte sie mühelos feststellen können.
»Oh!« Annalises Körper verkrampfte sich, und für eine Weile konnte sie nicht mehr reden. »So bald schon?«
»Ja, so ist es oft, nach der ersten Geburt«, sagte Dyannis. »Warte, ich wische dir das Gesicht ab. Du musst meine Hand halten, wenn der Schmerz kommt.« Sofort ergriff Annalise die Hand. »Jetzt atme«, drängte Dyannis, »ja, braves Mädchen.«
»Ich… ich will pressen!«
Dyannis spürte, wie sich die Energie im Körper der Frau veränderte und die Niederkunft ankündigte. Sie hielt Annalises Hand und schickte dem Baby ihr Laran . Es lag gut, soweit sie es bei dem ungeheuren Druck des Geburtsvorgangs beurteilen konnte. Dann, auf dem Höhepunkt der Wehen, spürte Dyannis ein Rucken, ein Stocken. Als der Schmerz nachließ, verschwand es, als hätte es nie existiert. Sie war sicher, dass sie es sich nicht eingebildet hatte. Einen Augenblick später gebar Annalise, unter Anspannung und mit angehaltenem Atem. Dyannis gelang es, ihre Hände frei zu bekommen, sodass sie die gespannte Bauchdecke umfassen konnte. Sie benutzte den direkten körperlichen Kontakt, um das Baby zu erreichen…
… und spürte, wie der
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