Darkover 06 - Die Flamme von Hali
»Wir müssen herausfinden, was dort unten geschieht. Ich werde die Arbeiten des heutigen Abends umorganisieren.«
Dyannis nickte. Die kurze Entfernung vom Turm zum See war für einen Kreis unter der Führung eines Bewahrers, besonders eines so starken wie Raimon, vollkommen unbedeutend. Sie hatten zusammen schon kostbares Metall tief aus der Erde geholt und Wolkenmuster am Himmel verändert. Darüber hinaus war jeder von ihnen vertraut mit dem See. Ihre miteinander verbundene geistige Begabung würde dieses Rätsel bestimmt lösen können.
An diesem Abend rief Raimon den Kreis des Turms zusammen. Dyannis, auf halbem Weg die Treppe vom Gemeinschaftsraum nach oben, fluchte leise. Der Saum ihres Gewands war wieder aufgegangen, und sie wäre beinahe gestolpert und hätte sich den dummen Kopf gestoßen.
Sie bückte sich, um die Naht näher zu betrachten. Man sollte eigentlich erwarten, dass ich nach all dieser Zeit einen Rock säumen kann , dachte sie bedauernd. Sie wusste, es war ihre eigene Schuld, dass sie sich nicht die Zeit nahm, es richtig zu lernen. Es gab immer etwas zu tun, das interessanter oder wichtiger war als Nähen. Ein paar ältere Frauen im Turm hatten Zofen, die sich um ihre Kleidung kümmerten, aber Dyannis fand dieses ununterbrochene Bemuttertwerden noch lästiger. Wie so oft zuvor zog sie den Stoff einfach ein wenig höher durch den Gürtel und ging weiter.
Sie hatte den gerissenen Saum bereits vergessen, als sie durch den Flur fegte, der zum Flügel des Bewahrers führte. Nur eine der drei Wohnungen dort war derzeit bewohnt, und seit dem Tod von Dougal DiAsturian hatte niemand den Mut gehabt, auch nur darüber zu sprechen, seine Räume anderweitig zu benutzen.
Eine schmale Treppe führte Dyannis zwei weitere Stockwerke hinauf zum kleinsten und am besten geschützten Arbeitsraum im Turm. Durch die offene Tür hörte sie leise Stimmen. Sie hielt einen Augenblick inne, um sich zu sammeln. Direkt hinter ihr kam die kleine Ellimara mit einem dicken Schultertuch über ihrem langen weißen Überwachergewand. Mit dreizehn war sie das jüngste vollständige Mitglied des Turms, aber sie war von reinem Aillard-Blut und ausgesprochen begabt.
Raimon blickte auf, als sie hereinkamen. »Ah, da seid ihr ja.«
Dyannis lächelte Ellimara kurz zu. Dank dir, mein Schatz, bin ich nicht die Letzte hier . Ihre Unpünktlichkeit war schon lange Grund für Witzeleien.
Ellimara errötete, was ihr gut stand, und setzte sich auf ihren Platz auf der Bank an der gegenüberliegenden Wand. Als Überwacherin würde sie vom Kreis selbst getrennt bleiben. Wenn Laran -Arbeiter in geistiger Einheit versunken waren, beachteten sie oft ihre körperlichen Funktionen nicht mehr. Es war die Verantwortung der Überwacherin, dafür zu sorgen, dass sie gesund blieben, dass ihre Kanäle klar und frei waren, um all ihre Konzentration und Kraft der geistigen Verbindung zu widmen. Kein angespannter Muskel, kein stotternder Herzschlag, kein Luftmangel, keine Veränderung des Hormonspiegels durfte diese Einheit unterbrechen, denn das würde alle gefährden.
Dyannis setzte sich auf ihren Platz an dem ovalen Tisch. In der Mitte stand das Matrix-Gitter, eine Anordnung miteinander verbundener Sternensteine, die ihr natürliches Laran konzentrieren und verstärken würde. Es glitzerte wie von innen her beleuchtet, ein kristallines, feenhaftes Ding aus winzigen Sternensteinen, verbunden und auf ihren Zweck eingestimmt.
Der Kreis arbeitete an diesem Abend mit vollständiger Kraft, sechs Arbeiter zusätzlich zu Raimon als Bewahrer. Es gab zwei weitere Arbeiter in der Gemeinschaft von Hali, aber ein Kreis von neun wäre über Raimons derzeitige Fähigkeiten hinausgegangen, und sie waren nicht genug für zwei Kreise, selbst wenn sie einen weiteren Bewahrer gehabt hätten. Häufig arbeiteten sie nur zu fünft, wenn andere für die Relais gebraucht wurden oder wegen Krankheit und Erschöpfung - oder bei den Frauen auch wegen ihres Zyklus - keine aktive Arbeit leisten konnten.
Hali ist nicht der einzige Turm, der nur noch einen einzigen arbeitenden Kreis hat , dachte Dyannis. Ihr Blick begegnete dem von Alderic, der erst vor kurzem nach Hali gekommen war. Er war bei dem Kampf zur Wiedereroberung des Throns an König Carolins Seite geritten, und sie hörte in seinem Kopf manchmal die Echos der sterbenden Geister jener Leronyn , die auf beiden Seiten gekämpft hatten. Wir haben zu viele verloren, und jene, die
Weitere Kostenlose Bücher