Darkover 06 - Die Flamme von Hali
des Kreises näher an das Objekt.
Eine Schicht psychischer Energie lag über dem See. Sie diente dazu, die Erwartungen von allen, die sich aus der Überwelt näherten, zu reflektieren. Ein Matrix-Arbeiter würde nur sehen, was nach seiner eigenen Ansicht dort sein sollte . Es wirkte so normal, dass nur jemand, der Grund zum Misstrauen hatte, den Unterschied erkennen konnte.
Dyannis wusste, dass das spiegelartige Muster auch alle von außen kommende Energie abweisen würde. Sie hatte solche Phänomene schon zuvor studiert und sogar selbst welche geschaffen. Diese Barriere würde die Energie eines Angreifers nutzen, und je stärker er drängte, desto heftiger würde er zurückgestoßen werden. Nur ein geübter Turmkreis konnte so etwas hergestellt haben.
Wer? Wer würde so etwas tun? Und warum?
Auch Raimon waren diese Strategien nicht fremd. Er formte die Energie des Kreises zu einer lang gezogenen, schmalen Speerspitze. Damit zielte er nicht senkrecht gegen die Barriere, sondern sandte die Spitze schräg im kleinstmöglichen Winkel darauf zu. Die Spitze schlüpfte unter den äußeren Rand. Es gab beinahe keinen Widerstand. Raimon änderte ihren Abstiegswinkel. Einen Augenblick später gab die Barriere plötzlich nach. Sie waren durchgebrochen.
Der See lag unter ihnen. Raimon sammelte die Kräfte des Kreises und schob den Gedankenstoff der Überwelt beiseite. Grau wurde dunkler, Kontraste wurden intensiver. Der Nebel war jetzt dichter und brach sich am Ufer des Sees. Zur gleichen Zeit erschienen Umrisse auf dem Grund des Sees. Sie waren verschwommen und unklar, aber präsent.
Dyannis verspürte so etwas wie freudige Erregung. Es war tatsachlich etwas da unten!
Wortlos sammelte Raimon mehr Kraft von ihnen. Dyannis gab großzügig und spürte, wie die anderen das Gleiche taten. Sie bewegten sich tiefer und tiefer durch das ätherische Wasser. Drunten entdeckte Dyannis einen riesigen zerklüfteten Umriss. Ihr Instinkt trieb sie zurückzuweichen, drängte sie zu fliehen. Sie hielt stand. Obwohl es alle Disziplin brauchte, über die sie verfügte, zwang sie sich, näher hinzuschauen.
Es hatte keine feste körperliche Form, war weder Dunkelheit noch Licht. Mit ihren Laran -Sinnen nahm Dyannis es als eine Art Riss wahr, eine Unterbrechung in der Kontinuität der Zeit.
Das Ding zog sie an und stieß sie gleichzeitig ab. Und es stank geradezu nach Laran .
7
Nachdem sie sich ausgeruht und die Energien, die in der langen Sitzung verausgabt worden waren, wieder aufgebaut hatten, brachte Raimon den Kreis abermals zusammen, diesmal zur Beratung. Sie mussten versuchen zu verstehen, was sie gesehen hatten, weitere Informationen sammeln und beschließen, was als Nächstes zu tun war. Die letzte Entscheidung stand selbstverständlich dem Bewahrer zu, aber in der Geschichte des Turms war »och nie eine solche Situation aufgetaucht. Sie wussten alle genau, wie wichtig ihre nächsten Schritte sein würden.
Als sie darüber sprachen, was sie gesehen hatten, wurde Dyannis plötzlich eine Unterströmung von Erinnerung bewusst, wie ein Jucken im Hinterkopf, das sie den ganzen Tag geplagt hatte.
»Ich weiß nicht, ob das für unsere derzeitige Situation irgendwie relevant ist«, sagte sie laut. »Aber das hier ist nicht das erste Mal, dass am See etwas Seltsames passiert ist. Vor Jahren haben mein Bruder Varzil und ich das Mittwinterfest am Hof des alten Königs Felix in Hali verbracht.«
Im Geist kehrte sie in diese Zeit zurück, und die anderen, immer noch in leichter Verbindung von der gemeinsamen Sitzung; folgten ihren Gedanken. Sie war sehr jung gewesen, erst vor kurzem im Turm eingetroffen, und hatte sich ununterbrochen in einem Zustand der Übererregung befunden. Erinnerungen durchfluteten sie und flossen in den Kreis: die Struktur der Steinmauer, auf die sie sich bei ihren Atemübungen konzentriert hatte, der laute Lärm von unten, erhobene Stimmen, rasche Schritte. Dyannis war nach draußen gerannt und hatte gesehen, wie zwei fremde Männer eine schlaffe Gestalt von einem Pferd hoben. Nachdem das Durcheinander sich gelegt hatte, wurde die Geschichte deutlicher.
Folgendes ist geschehen , sagte sie im Geist zu den anderen. Die beiden Männer waren Prinz Carolin und sein Freund Orain gewesen, und die durchnässte, schlaffe Gestalt ihr eigener Bruder. Die Heiler hatten ihn stundenlang behandelt, während Carolin im Flur auf und ab getigert war und alle anderen mit seinen
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