Darkover 06 - Die Flamme von Hali
ihn nicht bemerken würde. Wenn jemand herausgefunden oder auch nur vermutet hätte, dass dieser Haufen von Aufrührern von einem abtrünnigen Laranzu angeführt wurde…
Nein. Auch nur an so etwas zu denken bedeutete, die Katastrophe herauszufordern. Sollten sie lieber glauben, dass Jahre der Armut und die Nachwirkungen des Bürgerkriegs diese Menschen zum Aufstand getrieben hatten. In der Zwischenzeit mussten Saravio und er die Stadt verlassen, und zwar bald, bevor die Wache die Schlinge noch enger zuzog.
Wieder einmal hat er sich mir entzogen .
Eduin nahm sich zusammen und ging weiter die Gasse entlang, überquerte eine schmale Straße, nahm einen Umweg. Es gab hier keine breiten Straßen, keinen direkten Durchgang von einem Ende des Irrgartens zum anderen. Dieser Teil der Stadt, der noch heruntergekommener war als jener, in dem Saravio einmal gelebt hatte, war gewachsen wie ein Tumor, eine trostlose Schicht um die andere.
Eduin fand Saravio an einem Müllfeuer, zusammen mit einer Hand voll Fremder. Statt des üblichen Kapuzenumhangs trug Saravio nun eine oftmals geflickte Jacke und eine Strickmütze, die sein leuchtend rotes Haar bedeckte. Er wiegte sich vor und zurück, die Arme um den Oberkörper geschlungen, und murmelte vor sich hin. Seit dem Tag des Aufstands verbrachte er täglich Stunden auf diese Weise und tat nur dann etwas anderes, wenn Eduin ihn dazu zwang. Eduin tröstete sich damit, dass alles, was er sagte, mehr Geplapper als wirkliche Sprache war; es bestand kaum eine Gefahr, dass er sie verriet.
Die Nachtluft war feucht und kalt. Die Männer und Frauen am Feuer trugen Lumpen, die dunkel vor Dreck waren, und ihre Gesichter waren vom Wetter und vom Alkohol gerötet. Ihr Geruch, süß und widerwärtig, weckte Sehnsüchte, aber Eduin schob das beiseite. Er konnte sich verstecken, aber er konnte nicht unsichtbar werden. Seine wiedererwachten Laran -Sinne bemerkten das Aufflackern von Wohlbehagen in den Köpfen der anderen, das geradezu nach Saravios Manipulationen stank.
Er tut es ohne nachzudenken, wie im Reflex, nur weil sie leiden , dachte Eduin. Genau wie bei mir. Er denkt nicht über die Folgen nach .
Saravio hielt die Hände über die fettigen Flammen und blickte auf. Er bewegte sich vom Feuerlicht weg und beugte sich zu Eduin.
»Wir müssen die Stadt im Morgengrauen verlassen«, sagte Eduin leise. »Das Kaufmannstor ist um diese Zeit so überlaufen, dass sie dort nicht viele Fragen stellen.«
Saravio nickte, und Eduin nahm an, dass er ihn verstanden hatte. Ihre Freunde hatten ihnen gegeben, was sie entbehren konnten - ein wenig Geld, Lebensmittel, eine oder zwei Decken. Sie würden zu Fuß gehen und sich äußerlich nicht von den anderen Flüchtlingen unterscheiden, die, nachdem sie in Thendara keine Hoffnung gefunden hatten, dorthin zurückschlurften, wo sie hergekommen waren.
»Komm«, sagte Eduin. »Wir müssen schon vor dem Morgengrauen am Tor sein, wenn wir mitten im Gedränge sein wollen.«
Er fing einen Fetzen von Saravios halb ausgebildeten Gedanken auf. Thendara war verloren, eine Ödnis. Naotalba hatte ihre Diener in dieser Stadt verlassen. Nur die Verbindung zu Eduin verhinderte, dass Saravio sich vollkommen der Verzweiflung ergab. Eduins eigener Überlebensinstinkt trieb ihn weiter, trieb ihn, sich zu verstecken, zu flüchten, zu warten, bis die Jagd vorüber war, und vor allem auch dann noch durchzuhalten, wenn es eigentlich keine Hoffnung mehr gab.
Aber noch war nicht alles verloren. Eduin konnte es in der Luft riechen, selbst durch den fettigen Rauch, den Gestank nach Müll und welkem, bierdurchtränktem Fleisch. Die Hoffnung bewegte sich im Schatten des Mondes in einem halb erinnerten Traum, und in seiner wilden Begeisterung über die Nachricht, dass Varzil aus seiner Festung in Neskaya nach Hali gekommen war. Ich hatte ihn beinahe in der Hand. Und was schon einmal geschehen ist, kann auch wieder geschehen .
Der Skorpion in seinem Kopf klapperte mit den Zangen. T-t-töte… , und Eduin schauderte.
Dann hatte er eine Idee. Er wandte sich Saravio zu, der neben ihm hertrabte. »Wir haben diesmal nicht gesiegt, aber wir haben etwas erfahren, das ausgesprochen wichtig für Naotalbas Sache sein könnte. Möchtest du nicht wissen, was das ist?«
Saravio hob den Kopf. »Dass man sich auf Manschen nicht verlassen kann?«
»Nichts Derartiges. Dass Menschen für sie sterben wollten. Einige sind tatsächlich
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