Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Bittsteller und verbeugte sich. Das Gemurmel der Höflinge veranlasste ihn, einen Blick zurückzuwerfen. Saravio hatte sich nicht verbeugt, sondern stand aufrecht und ein wenig schwankend da. Sein schwarzes Gewand schwang um seinen knochigen Körper wie von unsichtbarem Wind bewegt. Er wirkte unnatürlich blass, und seine Augen glühten in tiefen Höhlen.
»Setz vor Seiner Lordschaft gefälligst die Mütze ab«, zischte ein Höfling.
Eduin erkannte, dass er bei seiner Verbeugung zwar selbst den Hut gezogen hatte, Saravio aber immer noch seine enge Strickmütze trug. Bevor er noch etwas unternehmen konnte, trat ein Soldat mit ausgestreckter Hand vor, um die Mütze herunterzureißen. Eduin hielt den Atem an, denn er hatte Saravios Kopf seit ihrer Ankunft in Kirella nicht mehr rasiert.
Saravio zuckte nicht mit der Wimper, als die Schnüre rissen, mit der er die Mütze unter dem Kinn festgebunden hatte. Der Soldat trat zurück, die gestrickte Kopfbedeckung in der Hand. Das allgemeine Gemurmel wurde lauter. Statt des verräterischen Rots bedeckte schimmerndes Weiß Saravios Kopf. Es war kaum mehr als ein Flaum, aber es leuchtete im Licht von hundert Fackeln.
Eduin bemerkte, wie plötzlich das Interesse der Haushalts- Leronis aufflackerte, als hätte sie Saravios geistige Macht gespürt. Er spannte sich an. Sie war eindeutig die Einzige an diesem Hof mit ausgebildetem Laran , aber er gewann den Eindruck, dass sie nicht besonders begabt war, nur gerade genug, um Kindern die Grundlagen der Beherrschung ihres Laran beizubringen, Schwellenkrankheit zu diagnostizieren, ein Fieber zu erleichtern oder einen Wahrheitsbann zu bewirken. Und das, dachte er mit einer Spur von Triumph, brauchte er nicht zu fürchten.
Lord Brynon richtete sich auf, und zum ersten Mal bemerkte Eduin die sechs Finger an seinen Händen. Viele Aillards verfügten über dieses Merkmal, was angeblich mit ihrem Chieri -Blut zusammenhing. Dieser Mann ähnelte den halbmythischen Nichtmenschen allerdings ansonsten kein bisschen. Sein Haar war, wo es nicht vom Alter grau geworden war, so dunkelrot, dass es beinahe schwarz wirkte, und unter seinem Umhang zeichneten sich breite Schultern ab. Selbst sein Gesicht wirkte, als wäre es in Jahren auf dem Schlachtfeld verwittert.
»Ihr seid also der Heiler, über den die halbe Stadt redet«, knurrte er. »Ein paar Hysteriker behaupten, geheilt worden zu sein, und alle staunen. Mir kann man nicht so leicht etwas vormachen.«
Eduin verbeugte sich abermals. » Vai Dom , wenn das anders wäre, würdet Ihr auch hier stehen und ich säße an Eurer Stelle. Da es aber nicht so ist, seid Ihr eindeutig alles andere als dumm, und ich bin nur Euer untertänigster Diener.«
Der Hof schwieg verblüfft. Gesichter wandten sich von Eduin dem Podium zu. Lord Brynon legte den Kopf zurück und lachte laut. »Ein Mann, der ebenso geistreich wie dreist ist! Ich mag Euch bereits. Aber Euer Begleiter da, der angeblich diese Wunder wirkt - kann er nicht für sich selbst sprechen?«
»Er spricht nur selten, und dann nur mit Naotalba oder mit mir.«
»Naotalba? Zandrus Braut? Von so etwas habe ich noch nie gehört. Er muss verrückt sein.«
»Einige behaupten das«, erwiderte Eduin. »Aber dann handelt es sich um eine Art von Wahnsinn, die oft mit der Heilergabe verbunden ist. Vielleicht erhalten wir, die wir nicht mit den Göttern sprechen, auch nicht sooft Antwort von ihnen.«
»In der Tat. Und Euer Freund ist anders als wir?«
»Ich bin ein einfacher Mann, vai Dom . Die Götter geben sich mit solchen wie mir nicht ab. Aber da Naotalba zu meinem Bruder, dem gesegneten Sandoval, spricht, konnte ich Zeuge werden, wie Menschen, die an Körper und Geist gebrochen waren, wieder gesund wurden, selbst nachdem alles andere versagt hatte. Wenn das kein Wunder ist, dann weiß ich es nicht. Ihr müsst selbst entscheiden, ob er etwas für jemanden in Eurem Haushalt tun kann.«
»Wir werden sehen«, sagte Aillard. »Kommt, Ihr werdet heute Abend beide mit uns essen.«
Der Coridom , der für die Sitzordnung beim Essen zuständig war, platzierte Eduin und Saravio ans Ende eines der langen Tische, weit entfernt von der Tafel des Lords. Die Männer, die neben Lord Brynon saßen, waren wichtige Persönlichkeiten, was man ihnen an ihren teuren Gewändern und Amtsinsignien ansah. Ein paar von ihnen warfen den Fremden neugierige Blicke zu, aber die meisten ignorierten die unwichtigeren Tische.
Weitere Kostenlose Bücher