Darkover 06 - Die Flamme von Hali
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Wenn er Saravios Laran als Schild benutzte, würde man vielleicht nicht bemerken, was er tat. Die Leronis würde Saravio als wildes Talent sehen, ausgebildet, aber mangelhaft und unstet. Sie würde vielleicht nicht versuchen, tiefer zu blicken. Und wenn sie es tat, würde er eben damit fertig werden müssen.
» Vai Dom «, rief Eduin. »Habt Ihr uns nicht hergeholt, damit wir in genau solchen Fällen helfen?«
Lord Brynon fuhr herum und kam mit der tödlichen Geschwindigkeit eines Schwertkämpfers wieder auf die Beine. Er verzog einen Augenblick das Gesicht, und Eduin erkannte, dass der Page nicht der jüngere Sohn irgendeines unbedeutenden entfernten Verwandten war, sondern Brynons eigener. Nedestro und nicht in der Lage zu erben, aber dennoch ein geliebter Sohn. Selbst wenn Eduin keine Spur von Laran gehabt hätte, hätte er die Gedanken des anderen Mannes nun lesen können - Lord Brynon wusste, dass es bei einer solchen Wunde keine Chance gab.
»Tut, was immer Ihr könnt.«
Eduin brauchte Saravio nicht zu rufen, denn dieser war ihm wie ein Schatten gefolgt. Er schob ihn auf den sterbenden Jungen zu, denn er wusste, dass ihnen nur noch Augenblicke blieben. Es war ausgesprochen wichtig, dass man Saravio für denjenigen hielt, der das Kind rettete, und nicht Eduin.
Saravio reagierte sofort auf die Schmerzen des Jungen. Ohne auf die Blutlache zu achten, warf er sich auf die Knie, ergriff die Hand des Jungen und begann laut zu beten.
»Naotalba, wir flehen dich an, rette diesen Jungen.«
Eduin zog sich in den Schatten zurück und verließ sich darauf, dass alle Blicke auf Saravio und dem verwundeten Jungen ruhten. Er schob eine Hand zwischen die Falten seines Gürtels und griff nach seinem Sternenstein.
»Höre mein Flehen, o große Naotalba, komm zu uns und heile ihn schnell!«
Die Aufmerksamkeit des Hofs war nun fest auf Saravio gerichtet, dessen Stimme immer lauter und heller wurde. Er benutzte sein besonderes Laran , um den Jungen in einen Zustand angenehmen Schlafs zu versenken und seine Schmerzen zu betäuben. Die Auswirkung erfasste auch die Zuschauer.
Eduin warf sich in die Masse von Energieströmen, das Fließen von Lebenskraft. Er arbeitete rasch, mit der Geschicklichkeit eines Laranzu , der im besten Turm von Darkover ausgebildet worden war. Die Wunde sah schlimm aus, die Ränder unregelmäßig von dem Biss des Hundes. Die Arterie war trotzt der heftigen Blutung nur ein wenig angerissen und nicht durchtrennt.
Mit seinem Geist überbrückte Eduin den Riss und schuf eine Manschette aus psychischer Kraft um das Blutgefäß. Nichts, weder Flüssigkeitströpfchen noch die Kräfte, die sie miteinander verbanden, konnten noch durch diese Barriere dringen. Das körperliche Heilen würde länger brauchen, aber zumindest brauchte man das Leben des Jungen jetzt nicht mehr nur noch in Herzschlägen zu messen.
Hinter dem behelfsmäßigen mentalen Verband begann Eduin, die winzigen Fasern zu verflechten, aus denen die Wand des Blutgefäßes bestand. Klümpchen von geronnenem Blut hingen an diesen Fasern und verklebten sie miteinander. Dieses Siegel würde später einmal, wenn der Körper selbst die Heilung vollendete, zu einer Narbe werden.
»Ich bin da! Alles ist in Ordnung!« Ein älterer Mann im Gewand eines Arztes drängte sich nach vorn. Er wurde sichtlich bleich, als er das Ausmaß der Blutung erkannte. »Euer… Euer Lordschaft… Ihr müsst darauf gefasst sein… « Er zeigte auf Saravio. »Was macht dieser Mann hier? Räumt den Bereich! Ich muss mich um meinen Patienten kümmern!«
»Ich glaube, Ihr werdet feststellen«, sagte Lord Brynon finster, »dass dieser Patient Euch nicht mehr braucht.«
»Aber… « Der Blick des Arztes schoss von dem blutigen Jungen zu seinem Herrn. Der Junge, immer noch unter Saravios Einfluss, lag still da. Sein Atem war gleichmäßig, seine Züge entspannt, und er lächelte ein wenig. Der Arzt seinerseits schaute nun nicht mehr verwirrt, sondern eher verängstigt drein. Er war vernünftig genug, um zu erkennen, dass hier etwas geschehen war, das über seine medizinischen Fähigkeiten hinausging.
Die Höflinge redeten leise aufeinander ein. Die Leronis stand an der Seite, ihre Laran -Barrieren fest an Ort und Stelle, die Wangen bleich, ihr Blick nicht zu deuten. Sie schaute von dem Arzt zu Saravio und wieder zurück und ließ den Blick nur einen winzigen Moment auf Eduin ruhen.
Lord
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