Darkover 09 - An den Feuern von Hastur
sagten sie. Eine gewisse… Instabilität nach ihren ziemlich übertriebenen Begriffen. Und ich bin ganz und gar männlich. Sie betrachten das als eine ziemliche Beschränkung, die dahin tendiert, das Verhalten auf eine Weise zu verzerren, die ihnen widerstrebt.«
Er war nicht akzeptiert worden, weil er »ganz und gar männlich« war? Was für Wesen waren diese chieri , irgendwelche Hermaphroditen? »Das hört sich an, als hätten sie ziemlich unrealistische Vorstellungen«, stellte Elizabeth trocken fest. »Aber… Kermiacs Großmutter war die Freundin Eurer Mutter?«
Kadarin sah aus, als sei er höchstens Ende Dreißig. Elizabeth konnte nicht anders, als ihn anzustarren.
»So ist es. Ich bin viel älter, als ich aussehe. Beinahe wünschte ich mir jetzt, ich hätte die Jahre gezählt. Aber der Schnee vom letzten Jahr ist für immer dahin.« Er seufzte schwer. »Und die Jahre gingen sehr schnell vorbei, als ich jung war, und unter den chieri versucht niemand, sie zu zählen. Dann war ich plötzlich… nicht länger erwünscht. Ich hatte etwas gesagt oder getan, ich weiß nicht, was, ich wurde dem Volk meiner Mutter überlassen, und ich war zu verwirrt, um mir zu merken, welche Zeitspannen verstrichen.«
Ich kann es mir vorstellen , dachte Elizabeth ein bißchen ärgerlich. Armer Mann, Verstoßung und Kulturschock gleichzeitig. Wie kann jemand das einem Kind antun? »Dann kam die Zeit als die Verwandten meiner Mutter merkten, daß ich mehr chieri als Mensch war, und sie hätten mich am liebsten in den Wald zurückgeschickt. Es gab einige, die wollten die Aldaran-Domäne von mir befreien, und sie versuchten… « Kadarin sprach halb zu sich selbst, und Elizabeth fragte sich, auf welche Weise sie versucht haben mochten, den jungen Mann loszuwerden. »Aber Aldarans Vater ließ es nicht zu, denn Kermiac hatte mich liebgewonnen, und Aldarans Mutter hatte zwei andere Kinder verloren, klammerte sich an Kermiac und wollte nichts riskieren, was ihm schaden könnte. So wurde ich hier großgezogen, als fremdes Wesen behandelt, beinahe als Kermiacs Haustier. Ich hätte… Ärger bekommen, wenn ich das Gebiet von Caer Donn verlassen hätte. Jetzt fühle ich mich von Eurem Volk eher akzeptiert als von dem einen oder dem anderen, dem ich angehöre. Könnt Ihr das verstehen?«
Elizabeth nickte. Sie hatte die Lippen vor Zorn über diese engstirnigen Menschen zusammengepreßt. »Tatsächlich sehr gut«, sagte sie. »Dann wurdet Ihr nach dem Fluß benannt?«
»O nein, eigentlich nicht.« Kadarin grinste, aber es lag keine Belustigung darin. »In diesen Bergen ist es Brauch, jemanden, dessen Vater unbekannt ist, einen ›Sohn des Flusses‹ zu nennen. Ich habe aus diesem Brauch einfach ein Etikett gemacht, das niemand ignorieren kann.«
Und er meint, uns ähnlicher zu sein als den Leuten seiner eigenen Art , dachte Elizabeth. Das wundert mich gar nicht. Sein bisheriges Leben muß schrecklich hart gewesen sein . Laut sagte sie: »Ich kann mir Eure… Gefühle in etwa vorstellen. Wir müssen auf Euch den Eindruck machen, daß Ihr mit uns besser auskommen könntet als mit dem Volk Eures Vaters oder dem Eurer Mutter.«
Und es war gar keine Frage, daß jemand wie Kadarin für die Terraner von ungeheurem Nutzen sein würde. Seinem eigenen Volk entfremdet, voller Sehnsucht danach, eine Heimat unter Menschen zu finden, die ihn nicht auf der Stelle zurückwiesen - o ja, wenn Kapitän Gibbons über Kadarins Background halbwegs informiert war, mußte er sofort erkannt haben, ein wie guter Agent dieser Mann werden könnte. Die Unwägbarkeiten - wie das Gefühl, irgendwo hinzugehören - waren oft bei weitem wichtiger für ein denkendes Wesen als Tatsachen wie die Abstammung.
»Ich frage Euch ungern«, begann sie zögernd. »Aber Ihr wißt inzwischen, daß meine Neugier unersättlich ist. Wie ist das Waldvolk? Wer und was sind diese Leute eigentlich?«
Er schüttelte den Kopf, spottete ein bißchen über ihren Forschungseifer. »Ah, das ist eine gute Frage. Niemand unter den Menschen weiß es genau, und ich war zu jung, als ich bei ihnen war, um es selbst zu wissen. In früheren Zeiten, so heißt es, kamen sie oft aus ihren Behausungen in den großen Wäldern heraus. Aber inzwischen sind in der Nähe der menschlichen Siedlungen viele Bäume gefällt worden, sie haben sich in den tieferen Wald und in die geheimen Stellen der Berge zurückgezogen und suchen immer weniger Kontakt mit den Menschen. Ich
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