Darkover 10 - Die zerbrochene Kette
Er brüllte: »Ist das wahr? Jaelle, was hast du dazu zu sagen, Mädchen?«
»Onkel, ich bin nicht dein Mündel…«, begann Jaelle. Rohana fiel leise und gequält ein: »Jaelle, bitte …«
Die Not in Rohanas Stimme drang irgendwie bis zu Jaelle durch. Sanfter, als sie beabsichtigt hatte, erklärte sie: »Ich kann dazu nichts weiter sagen, als daß es mir leid tut, dir Ärger zu bereiten, Onkel. Mit Absicht habe ich es nicht getan.« Sie biß sich auf die Lippe und blickte auf ihren Teller nieder. Mit bebenden Händen strich sie sich Butter aufs Brot und verzichtete nach innerem Kampf auf jedes weitere Wort. Rohanas schneller, dankbarer Blick war Belohnung genug, doch Dom Gabriel beruhigen konnte er jetzt nicht mehr.
»Ist das wahr?« erregte er sich. »Hast du hier in meinem Haus mit deinen Liebesaffären einen Skandal hervorgerufen?«
Jaelle schluckte schwer, hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Sie sagte mit klarer Stimme: »Es wird keinen Skandal geben, Onkel, falls du keinen machst!«
Gabriel stand auf und fuhr wütend auf Rohana los. »Was ist das, meine Dame? Habt Ihr davon gewußt und nichts gesagt? Habt Ihr Eurem schamlosen Mündel erlaubt, die Hure zu spielen, während sie sich in Eurer Obhut befand? Was habt Ihr dazu zu sagen, Lady? Antwortet mir! Antworte mir, Rohana!« schrie er.
Rohana war totenbleich geworden. Mit leiser Stimme gab sie zurück: »Gabriel, Jaelle ist kein Kind mehr. Sie hat den Eid der Freien Amazonen geleistet, und dem Gesetz nach tragen weder du noch ich irgendeine Verantwortung für das, was sie tut, sei es unter diesem Dach oder einem anderen. Ich bitte dich sehr, dich zu mäßigen. Setz dich hin und iß dein Frühstück.«
»Halte du mir dies schmutzige Gesetz nicht vor!« Dom Gabriels Gesicht war so dunkel und so wutverzerrt, daß Magda einen Schlaganfall befürchtete. »Jaelle ist eine Frau der Comyn ! Gegen meinen Willen hast du ihr die Erlaubnis gegeben, sich diesen Weibern zuzugesellen! Siehst du ein, was du damit angerichtet hast? Eine Frau unseres Clans, verführt und betrogen…« Er hob tatsächlich den Arm, als wolle er Rohana schlagen.
Jaelle sprang entsetzt in die Höhe. »Onkel! Für nichts, was ich getan haben mag, trifft Rohana die Schuld! Wenn du unbedingt wie ein Verrückter herumtoben mußt, halte dich wenigstens an mich!« verlangte sie zornig. »Ich bin eine erwachsene Frau, dem Gesetz nach meine eigene Herrin und fähig, mein Leben selbst zu gestalten.«
»Gesetz, Gesetz, sprich du mir nicht von dem Gesetz!« Gabriel geriet außer sich. »Keine Frau ist fähig, ihr Leben selbst zu gestalten, und es spielt gar keine Rolle, was dein… Gesetz…« Es war, als ersticke er an seinem Zorn. Er brachte nur noch Gestammel heraus, dann ballte er die Fäuste, schwankte und fiel krachend über den Tisch. Das Porzellan klirrte, ein Kupfergefäß mit einem dampfend heißen Getränk kippte um und durchweichte das Tischtuch. Dom Gabriels Kopf prallte heftig von der Platte zurück. Er stürzte schwer, sein Körper krümmte sich rückwärts, seine Fersen trommelten in immer wiederkehrenden Anfällen auf den Fußboden.
Kyril, im ersten Augenblick vor Schrecken bewegungslos, lief hin, um ihm aufzuhelfen. Aber Rohana war bereits da und bettete den Kopf des Bewußtlosen auf ihren Schoß.
»Laß ihn liegen, bis es vorbei ist«, befahl sie mit leiser, zorniger Stimme. »Für einen Morgen hast du genug angerichtet. Geh und rufe seinen Mann, damit er hilft, ihn ins Bett zu bringen. Bist du zufrieden, Kyril? Weißt du jetzt, warum ich dich inständig gebeten habe, ihn nicht zu provozieren oder aufzuregen? Glaubst du im Ernst…« - sie hob die flammenden grauen Augen -, »… unter diesem Dach gehe irgend etwas vor, von dem ich nicht weiß oder das ich nicht gestatte?«
Jaelle war die Kehle so eng, daß sie nicht sprechen konnte. Sie hatte schon epileptische Anfälle bei anderen gesehen, aber noch nie bei Dom Gabriel. Sie sah Rohana an, die auf dem Boden kniete und den Kopf ihres Mannes hielt, und begriff mit einemmal, warum Rohana so viel Zeit ihres Lebens darauf verwandte - Jaelle hatte oft gedacht, so handele eine Törin, eine Sklavin -, Dom Gabriel in ruhigem und zufriedenem Gemütszustand zu erhalten, ihn nicht aufzuregen und seinen Zorn zu beschwichtigen. Rohanas Bürde wog viel schwerer, als sie geglaubt hatte.
Könnte ich so viel für einen Mann tun, auch wenn ich ihn noch so sehr liebte? Und Rohana wurde ihm
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