Darkover 10 - Die zerbrochene Kette
daß ich danach imstande sein werde, effektiver für das Imperium zu arbeiten. Ich könnte dann vieles tun, was einer normalen Frau hier nicht möglich ist.«
Darrill sagte ganz leise: »Margali, als wir uns in der Mittwinternacht begegneten, war ich sehr beeindruckt von deinem Mut und deinem Unternehmungsgeist. Das hat keine Frau unseres Volkes, dachte ich, und ich sagte mir, es müsse daran liegen, daß du eine Fremde, eine Terranerin bist. Jetzt kommt es mir manchmal vor, als seiest du eher eine von uns. Jemanden wie dich habe ich noch nie kennengelernt.« Er sah ihr gerade in die Augen, und Magda dachte schon, er wolle sie küssen. Doch er schluckte, riß sich zusammen und trat ein Stück zurück. »Verzeih mir; ich muß meine Arbeit mit den Pferden beenden.«
Das tat er, und Magda ertappte sich bei dem Gedanken: Wenn ich nicht aufpasse, wird er sich in mich verlieben. Und das darf ich im Augenblick nicht zulassen. Ich muß sehr vorsichtig sein . Ein bißchen tat es ihr leid. Zu Mittwinter habe ich entdeckt, daß ich eine neue Beziehung zu meiner Welt entwickeln muß. Aber bevor ich mein Leben mit einem anderen Mann kompliziere, will ich mehr über mich selbst herausfinden!
Die Vorstellung, der junge Darrill könne sich in sie verlieben, mochte schmeichelhaft sein. Sie hielt es jedoch für grausam, ihre neue Einstellung zu den Männern dadurch zu erproben, daß sie sein Interesse und vielleicht sein Herz gefangennahm, wenn sie nicht frei war und mit niemandem eine dauerhafte oder ernste Verbindung eingehen durfte. Jaelle hatte ihr Flirten mit der Behauptung gerechtfertigt, ihre Neckereien hätten noch nie einem Mann das Herz gebrochen. Auch das muß ich vermeiden , dachte Magda.
In der Unterkunft, die zu den größten gehörte, hatten die Gardisten, Peter unter ihnen, an einem Ende ein Feuer angezündet, Rohana, ihre Damen, Magda und Jaelle ein zweites am anderen Ende. Wie immer ließ Rohana Peter sagen, er solle sich ihnen anschließen und an ihrer Mahlzeit teilnehmen. Nach dem Essen sah sie zu Peter und Jaelle hin, die dicht beieinander saßen und sich in den Schatten bei den Händen hielten, und sagte zu Magda: »Aus purer Menschlichkeit sollten wir sie ein paar Minuten allein lassen.« Sie hob die Stimme ein bißchen. »Kommt, meine Damen, besuchen wir einmal die Gardisten am anderen Feuer und fragen nach, ob sie mit ihren Rationen zufrieden sind und es bequem haben.«
Rohanas Zofe, eine dicke, sentimentale alte Frau, sah auf dem Weg zu dem zweiten Feuer zurück und bedachte Jaelle mit einem ermutigenden Lächeln. Jaelle merkte, wie sie errötete. Dann vergaß sie die Frau, denn Peter nahm sie zu einem langen, leidenschaftlichen Kuß in die Arme. Dankbar schmiegte sie sich an ihn und segnete Rohana für diese kurzen Augenblicke, die sie mit ihrem Liebsten allein sein konnte. Es würde nicht länger als ein paar Minuten dauern, aber solange es dauerte, gab es ihr Trost in ihrer Unsicherheit…
Endlich ließ er sie los. »Mir ist schwindlig vor Verlangen nach dir. Wenigstens ist die Reise bald vorüber; morgen sind wir in Thendara. Liebst du mich noch, Jaelle?«
Sie sah in sein Gesicht hoch. »Kannst du daran zweifeln?«
»Du gehst mir aus dem Weg.«
»Ich dir? Bestimmt nicht, Liebster«, versicherte sie mit leisem Auflachen. »Du erwartest doch nicht, daß ich in Anwesenheit von einem halben Dutzend Gardisten und sämtlichen Frauen Rohanas mit dir schlafe!«
Ihre Direktheit war ihm peinlich, und er wandte den Blick ab. »Das meine ich nicht«, protestierte er. »Immerhin könnten wir unterwegs öfters zusammen sein. Du könntest neben mir reiten, mehr Zeit in meiner Gesellschaft verbringen! Während dieser ganzen Reise hast du mich behandelt wie jemanden, den du vielleicht beim Tanzunterricht kennengelernt hast, nicht wie deinen Liebhaber!« Er benutzte das Wort in der Form, die der Bedeutung »versprochener Gatte« am nächsten kam. Jaelle drückte ihm die Hand.
»Du bist mein Geliebter«, flüsterte sie, »und bald werden wir soviel zusammen sein, wie du möchtest. Aber ich bin eine Amazone, Piedro. Ich habe dir nur wenig über unsere Vorschriften und Sitten erzählt, aber unter anderem lehrt man uns, daß es nur eine Möglichkeit gibt, wie Frauen mit Männern reisen können, ohne Ärger und Streit hervorzurufen. Sie müssen sich wie menschliche Wesen verhalten, nicht wie Weibchen, deren wichtigste Funktion im Leben ist, Männer anzuziehen, um von ihnen
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