Darkover 10 - Die zerbrochene Kette
beschützt und versorgt zu werden.«
»Oh, komm, Lady Rohana und ihre Begleiterinnen…«
»Rohana ist die Gattin ihres Lords, ein geheiligtes Pfand, das sie mit ihrem Leben schützen müssen. Und ihre Damen stehen unter ihrem - ihrem besonderen Charisma. Ich dagegen bin eine Amazone und habe auf meinen behüteten Status als Comynara verzichtet. Und ich arbeite mit ihnen; ich habe diese Reise organisiert. Deshalb darf ich vor ihnen nicht wie eine Frau auftreten, die - die frei ist, begehrt zu werden. Kannst du das nicht verstehen?« fragte sie bittend. »Wenn ich viel Zeit mit dir verbrächte, zur Schau trüge, daß ich deine Geliebte bin…« - auch sie benutzte das Wort in der Form, die »versprochene Gattin« bedeutete, und Peter drückte ihre Hand -, »… dann präsentiere ich mich ihnen als Frau. Und sie fangen an, von mir als einer Frau zu denken, und bald wetteifern sie in kleinen Dingen um meine Gunst und meine Aufmerksamkeit und spielen sich vor mir als Männer auf, und schon haben wir Uneinigkeit und schlechte Stimmung. Deshalb muß ich eine von ihnen, ein weiterer Gefährte sein. Sie müssen in meiner Gesellschaft ungezwungen sein, es nicht notwendig haben, ihre Reden auf die Ohren einer Dame abzustimmen, oder sich verpflichtet fühlen, mir die leichteste Arbeit zuzuschanzen.«
Ihre Erklärung enthielt nicht die leiseste Andeutung eines Vorwurfs. Peter erinnerte sich jedoch, daß sie ihn vor ein paar Tagen, als er ihr ungebeten mit einer schweren Last helfen wollte, mit einem Stirnrunzeln bedacht hatte.
Er fragte: »Willst du mir weismachen, es gäbe keine Arbeit, die über deine Kraft geht?«
»Und ob es die gibt!«
»Das kann ich mir vorstellen.« Peter musterte das schlanke Mädchen. »Und was tust du, du stolze Amazone, wenn du feststellst, daß etwas über deine Kraft geht?«
Lächelnd antwortete Jaelle: »Genau das, was ein Mann auch tun würde, wenn etwas zu schwer zu heben ist oder eine Aufgabe zwei Paar Hände erfordert. Ein besonders starker Mann bist du vermutlich auch nicht, und ich nehme an, du wirst dann sagen: ›Komm und hilf mir, dies Ding hochzuheben, bevor ich mir die Eingeweide verrenke!‹ So mache ich es auch. Wenn ich einmal bewiesen habe, daß ich mich vor keiner Arbeit scheue, die ich bewältigen kann, dann werden sie mir helfen wie einem anderen Mann und nicht wie einer Frau, die verwöhnt werden muß.«
»Ich hoffe, du hast nicht die Absicht, mich ständig auf diese Weise zu behandeln«, brummte er. Jaelle lachte und streichelte zärtlich seine Wange.
»Wenn wir alleine sind, Geliebter, werde ich so zart und anspruchsvoll sein, daß du mich mit Lady Rohana verwechseln wirst, die sich keinen Tagesritt weit entfernen darf, ohne ihre Zofe und ihre Damen und ein halbes Dutzend Gardisten mitzunehmen! Du darfst nur nicht von mir verlangen, daß ich anders bin, als ich bin, Lieber.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, zog seinen Kopf zu sich herab und küßte ihn schnell.
»Genug für jetzt. Rohana und ihre Frauen kommen, und morgen erreichen wir Thendara.«
»Und morgen nacht…« Peter lächelte ihr zu, und Jaelle drückte sich kurz an ihn. Sie ließ ihn gern wissen, daß sie sein Verlangen teilte. Dann trennten sie sich seufzend, denn Rohana kehrte mit ihren Damen an das Feuer zurück.
Mittags ritten sie nach Thendara hinunter. Als sie die Tore passierten, fragte Rohana: »Was wollt ihr jetzt tun? Du, Jaelle, mußt ja mit Margali ins Gildenhaus gehen.«
Magda durchfuhr es wie ein Stich. Der Augenblick ist da. Einen weiteren Aufschub gibt es nicht mehr. O Gott, habe ich Angst!
Darkover wird bestimmt noch während meiner Lebenszeit Teil des Imperiums, und dann macht es nichts mehr aus. Die übliche Zeit vom ersten Kontakt bis zur Eingliederung beträgt etwa fünfzig Jahre, und davon ist die Hälfte beinahe vorbei. Aber wird es zu spät kommen, um mir noch etwas zu nützen? Muß ich auf eine andere Welt ins Exil gehen?
Sie wußte nicht, daß Darkover sich als einzigartig in der Geschichte des Imperiums erweisen sollte und ihr noch viele Generationen folgen würden, bevor sich Darkover und das Imperium miteinander aussöhnten. Trotzdem ließ ihr eine blitzartige Zukunftsvision das Blut in den Adern erstarren, und sie zog sich ihren pelzgefütterten Reitmantel - Rohanas Mittwintergeschenk - fester um die Schultern.
»Das ist idiotisch!« Mit einem Blick zurück vergewisserte Peter sich, daß Rohanas Frauen
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