Darkover 10 - Die zerbrochene Kette
Brief neugierig in den Händen und hielt ihn näher ans Feuer, damit sie ihn lesen konnte. »Zünde die Laterne an, Rayna; wie diese Sache auch weitergehen wird, wir brauchen Licht«, sagte sie. »In dieser Finsternis kann ich nicht lesen.« Als die Laterne brannte, studierte sie den Brief einige Zeit. Dann erklärte sie: »Es ist keine Fälschung, dazu kenne ich die Handschrift meiner Verwandten zu gut. Und das Siegel ist echt.« Sie las laut vor: »… bitte alle, die der Domäne von Ardais Loyalität schuldig sind, ihr nach bestem Können zu helfen…«
»Gestohlen«, vermutete Camilla mit höhnisch verzogenem Mund.
»Nein, denn der Brief enthält ihren Namen und eine gute Beschreibung von ihr.« Sie trat zu Magda und gab ihr den Geleitbrief zurück. »Hat meine Verwandte dir das tatsächlich gegeben?«
»Das hat sie.«
»Niemand kann Rohana zwingen, etwas zu tun, das sie nicht will«, sann Jaelle, »und ich habe nie erlebt, daß sie ihren Namen für eine böse Tat hergibt. Bist du wirklich in ihrem Auftrag unterwegs?«
Magda nickte. Jaelle fuhr fort: »Aber du bist keine Amazone, nicht wahr? Wie bist du dazu gekommen, dich als Amazone auszugeben, Margali - falls das dein echter Name ist?«
»Es ist der Name, den ich als Kind getragen habe.« Magda blinzelte. Einen Augenblick lang hatte sie Angst, sie werde anfangen zu weinen. Sie sprach ohne Stocken.
»Meine Mission ist eine ehrenhafte, und es war Lady Rohana, die vorschlug, ich solle mich als Amazone kleiden und ausgeben.« Sie hob den Kopf, der noch von Jaelles Schlägen brannte. »Ich habe niemandem Schande gemacht! Wenn ich euer Lager gemieden hätte, wäre nichts geschehen, nur wollte ich in diesem Sturm nicht im Freien schlafen.«
»Nein«, meinte Jaelle. »Du bist so schon knapp an Erfrierungen vorbeigekommen. Du dachtest also, du könntest die Nacht überstehen, ohne dich zu verraten…«
»Und dann gewann ich den Eindruck, jene Männer wüßten etwas, das für meine Mission von Bedeutung ist. Etwas so Wichtiges, daß nichts anderes mehr eine Rolle spielte.«
»Warum hast du Männerstiefel angezogen? War es nur Unwissenheit?«
»Lady Rohana hat die Stiefel besorgt«, antwortete Magda, »und ich wußte es nicht besser.«
Camilla lachte plötzlich. »Ich habe Lady Rohana einmal gesagt, ihre Unkenntnis unserer Sitten werde sie irgendwann in Schwierigkeiten bringen. Nur ist es viele Jahre später eingetreten, als ich glaubte! Nun, sie hat es gut gemeint. Ich vermute, wenn du keinen echten Amazonen begegnet wärst, hätte dich niemand durchschaut.«
Jaelle erkundigte sich neugierig: »Hattest du denn gar keine Angst, allein in die Hellers zu reisen, wo der Winter vor der Tür steht?«
Ein paar Stunden früher hätte Magda geantwortet: »Nein, ich hatte keine Angst.« Jetzt, da sie Angst kennengelernt hatte, war sie sich selbst gegenüber ehrlicher. »Doch. Aber meine Mission schien mir wichtiger zu sein als meine Angst.«
Zum erstenmal wurden Jaelles Augen ein bißchen freundlicher. »Und du glaubtest, die Amazonentracht werde dich schützen? Nun, die Verkleidung hat sogar uns kurze Zeit getäuscht, und mir scheint, im allgemeinen hast du dich bemüht, dich so zu verhalten, daß du keine Schande über uns bringst. Es ist nicht deine Schuld, daß du versagt hast. Warum nur hast du es dir in den Kopf gesetzt, allein auf eine solche Mission zu gehen, Mädchen? War da kein Mann, an den du dich wenden konntest, kein Verwandter, Vater, Vormund, Herr oder Regent? Was ist das für eine Aufgabe, die du allein bewältigen mußt?«
Da ihr nichts Besseres einfiel, sagte Magda die Wahrheit, beziehungsweise soviel davon, wie sie sich traute. »Ein naher Verwandter…« (Ein Ehemann ist ein Verwandter, verdammt noch mal!) »… wird in Sain Scarp gefangengehalten. Wenn bis Mittwinter kein Lösegeld für ihn gebracht wird, soll er zu Tode gefoltert werden.«
»Und kein Mann in deiner Familie oder deinem Haushalt wollte dir beistehen?« forschte Jaelle. »Es ist mir unverständlich; wenn du das Recht besitzt, dich an Lady Rohana zu wenden, mußt du ebenso das Recht besitzen, ihren Mann oder ihre Söhne um Hilfe zu bitten.«
Magda erklärte fest: »Ich habe kein Recht, mich an Lady Rohana zu wenden. Sie half mir aus Freundlichkeit und Güte, weil ich sonst niemanden hatte.«
»Ah, das sieht ihr ähnlich«, stimmte Jaelle zu. »Es ist noch kein lahmer Hund vergeblich an ihre
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