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Darkover 16 - Die Winde von Darkover

Titel: Darkover 16 - Die Winde von Darkover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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pinkelte in den Abgrund. Melitta hielt sich fest und kämpfte gegen ein hysterisches Gelächter an. Nach einiger Zeit, die ihr wie eine Stunde vorkam, bückte er sich, hob seine Laterne auf, schüttelte seine Kleider zurecht und stolperte davon. Melitta meinte, vergessen zu haben, wie man atmet, aber es gelang ihr von neuem, und sie zwang ihre klammen Finger, sich wieder zu bewegen und sie auf den erhellten Balkon weiter unten zu befördern.
   Zoll um Zoll - ein Finger, eine Zehe, ein kalter Meter auf einmal - kroch das Mädchen wie eine Ameise die Mauer hinunter. Einmal blieb ihr das Herz stehen, als ein im Mörtel steckender Kieselstein sich unter ihren Fingern löste und sie hörte, wie er wegglitt, von einem Vorsprung unter ihr absprang, mit einem Geknatter, das wie Gewehrfeuer klang, über die Felsen unten polterte und schließlich in der Dunkelheit verschwand. Jeden Muskel angespannt, hielt sie minutenlang den Atem an, überzeugt, auf das Geräusch hin würden Soldaten gerannt kommen. Doch als sie die Augen wieder öffnete, lag die Burg immer noch gebadet im leeren Licht der untergehenden Monde da, und sie hing immer noch in tröstlicher Einsamkeit an der Mauer.
   Der Mondschein hatte hinter den Bergflanken beträchtlich an Helligkeit verloren, und dichte Nebelschwaden begannen unten aufzusteigen, als Melittas Füße endlich den Stein des Balkons berührten. Sie ließ los und glitt, fiel auf das Geländer, kauerte dort und holte keuchend vor Erleichterung tief Atem. Sobald sie wieder fähig war, sich zu bewegen, fuhr sie mit den Händen in ihre Handschuhe und mit den Füßen in die pelzgefütterten Stiefel. Sie wickelte sich in ihren Mantel und raffte ihn eng um sich, damit das Zittern nachließ.
   Die erste Hürde war genommen. Aber jetzt mußte sie ins Innere gelangen und Alliras Aufmerksamkeit erwecken, ohne Gefahr zu laufen, daß Brynat sie sah. Sie war zu weit gekommen, um sich jetzt noch aufhalten zu lassen!
   Wie ein kleiner, zitternder Geist kroch sie über den steinernen Balkon und drückte das Gesicht gegen die geäderten Buntglasscheiben, die mit Metallstreifen zu der Doppeltür des Balkons zusammengefügt waren. Die Tür war von innen verriegelt, und es hing ein schwerer, dichter Vorhang davor. Melitta kam die hysterische Vorstellung, sie werde tagelang wie ein Vogel hier draußen hocken und vergebens an das Glas klopfen, bis irgendwer aufblickte und sie sah.
   Sie fürchtete auch, daß es Brynat sein könne, der diesen Vorhang beiseite zog und ihr direkt in die Augen stierte.
   Sie wollte sich zwingen, an das Fenster zu treten, aber das Bild von Brynats finsterem Gesicht war so überzeugend, daß es ihr buchstäblich nicht gelang, die Hand zu heben. Sie wußte , er war hinter diesem Vorhang. Entmutigt und zitternd sank sie nieder und wartete. Ihre Gedanken rasten.
   Storn, Storn, du bist schon einmal zu mir gekommen, hilf mir jetzt! Bruder, Bruder! Götter der Berge, was soll ich tun? Sie bat ihre schwachen Glieder, sie befahl ihnen, sich zu bewegen, und doch blieb sie starr und steif sitzen. Es kam ihr wie Stunden vor. Dann begannen ihr Körper und ihr Gehirn langsam wieder zu arbeiten, und sie dachte nach.
   Als wir Kinder waren, konnten Allira und ich uns in Gedanken erreichen. Nicht immer und nicht oft, aber wenn eine von uns in Gefahr war, wußte die andere es. Als die Schar wilder Vögel sie auf der Insel abgeschnitten hatte, wußte ich es und brachte Hilfe. Sie war damals fünfzehn, und ich war erst acht. Ich kann diese Kraft nicht verloren haben, sonst hätte Storn mich heute abend nicht erreicht. Aber wenn alles, was mein Gehirn ausstrahlt, Angst ist, wird Allira nicht erkennen, daß ich es bin. Sie wird es für einen Teil ihrer eigenen Panik halten!
   Melitta hatte so gut wie keine Ausbildung gehabt. Storn hatte, da er blind und so von den üblichen Tätigkeiten der Männer seiner Kaste ausgeschlossen war, die alten telepathischen Künste erforscht. Für seinen Bruder und seine Schwestern waren diese jedoch Träume, Phantasien, Spiele und Tricks gewesen - ein netter Zeitvertreib, aber eines ernsthaften Studiums nicht wert. Es hatte zuviel anderes gegeben, das wirklich und gegenwärtig und im Augenblick notwendig war. Melitta verwandte ein paar Sekunden darauf, sich zu beschimpfen, daß sie nicht mehr Zeit mit Storn verbracht und die alte Sprache des Geistes zum Geist erlernt hatte. Der gesunde Menschenverstand rettete sie. Sie erinnerte sich an das alte

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