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Darkover 16 - Die Winde von Darkover

Titel: Darkover 16 - Die Winde von Darkover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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abgestumpft. Ein Überfluß an Fenstersimsen, Schießscharten für die Bogenschützen, Balkonen, Außentreppen und Vorsprüngen zierte die Flanken der alten Burg.
   Als ich ein Kind war, sind Storn und ich überall herumgeklettert , dachte Melitta. Ich bekam einmal Schläge, weil unsere Kinderfrau vor Angst fast den Verstand verlor, als ich auf einen Balkon im dritten Stock stieg und ihr vom Laubengang aus Fratzen schnitt. Ich brachte Edric bei, die Balkons weiter unten zu erreichen. So hoch bin ich noch nie geklettert - ich hatte Angst zu fallen. Aber dieser Teil der Burg müßte ebenso rissig sein wie der untere .
   Sie wußte, wenn sie fiel, zerschmetterte sie auf den Klippen. Warum sollte ich aus zweihundert Fuß Höhe fallen, wenn ich aus fünfzehn Fuß Höhe nie gefallen bin?
   Du hast nie darüber nachgedacht, weil es nicht darauf angekommen wäre, ob du aus fünfzehn Fuß Höhe fielst , sagte ihr Verstand. Sie befahl der inneren Stimme zu schweigen, packte den Gedanken in ein Kästchen, schob es in ihr Unterbewußtsein und ließ es dort. Und wenn ich wirklich dabei umkomme , sagte sie trotzig zu sich selbst, Edric hat es nichts ausgemacht, bei der Belagerung getötet zu werden. Und falls es ihm etwas ausgemacht hat, er hat sein Leben trotzdem riskiert. Ich habe selbst Pfeil und Bogen ergriffen, und ich hätte auf dem Wall erschossen oder niedergestochen werden können. Wenn er in der Hoffnung, Burg Storn zu halten, damals bereit war zu sterben, warum sollte ich jetzt zögern, das gleiche Risiko einzugehen? Wenn ich sterbe, sterbe ich, und dann brauche ich mir wenigstens keine Sorgen mehr um Brynats Halunken zu machen, die sich anstellen, um mich der Reihe nach zu vergewaltigen .
   Es war nicht gerade ein tröstlicher Gedanke, aber Melitta sagte sich, für den Augenblick müsse er genügen. Sie zögerte nur kurz, die Hände auf dem Geländer. Weg mit den pelzgefütterten Handschuhen! Sie steckte sie tief in die Taschen von Edrics Reithose. Sie knöpfte den Mantel zurück und band ihn sich so eng wie möglich um die Taille, hoffend, er werde nicht an einem Vorsprung hängenbleiben. Schließlich zog sie die Stiefel aus. Erschauernd auf dem Steinbalkon stehend, band sie sie an den Schnürsenkeln zusammen und hängte sie sich um den Hals. Wenn die Riemen sich an einem Stein verfingen, konnten sie sie erwürgen, aber ohne Stiefel würde sie im Schnee hilflos sein, und ihr geübter Wettersinn sagte ihr, der Schnee werde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ohne sich Zeit zum Nachdenken zu lassen, schwang sie sich über das Geländer, saß dort einen Augenblick und merkte sich die genaue Lage des Zimmers und des Balkons, die sie erreichen wollte - vierzig Fuß unter ihr und beinahe hundert Fuß weiter links. Dann glitt sie hinunter, setzte ihren bestrumpften Fuß in eine Spalte und fand eine Handhabe, um sich an die rauhe Wand zu klammern.
   Die Spalten zwischen den Steinen schienen kleiner zu sein als bei ihrem Herumklettern in ihrer Kinderzeit, und sie mußte sich nach dem Gefühl weitertasten. Ihre Füße schmerzten vor Kälte, ehe sie fünf Meter zurückgelegt hatte, und sie spürte, wie erst einer, dann ein zweiter ihrer Nägel sich umbog und brach, als sie die Finger in den dunklen, rauhen Stein krallte. Der Mondschein war bleich und trügerisch, und zweimal erwies sich ein weißer Streifen, den sie für eine Spalte hielt, als zerbröckelnder, stinkender Vogeldung. Aber Melitta klebte wie eine Napfschnecke an der Mauer, bewegte immer nur eine Hand oder einen Fuß, bis sie in einem neuen Halt sicher verankert war.
   Evanda sei gelobt , dachte sie grimmig, daß ich vom Reiten stark und zäh geworden bin! Wenn ich ein Mädchen wäre, das nur über seiner Näherei sitzt, würde ich nach zwei Metern hinunterfallen! Doch trotz ihrer Kraft fühlte sie jeden Muskel vor Kälte und Anspannung zittern. Auch war ihr klar, daß sie in dem blassen Mondlicht vor der Burgmauer deutlich sichtbar sein mußte, ein Ziel für den Pfeil irgendeiner Schildwache, die bei ihrer Runde zufällig nach oben blickte. Einmal erstarrte sie, als Licht aufblitzte und der Wind die Bruchstücke einer Stimme um die Ecke trieb. Jetzt ging einer von Brynats Soldaten unter ihr vorbei! Melitta schloß die Augen und betete, daß er nicht hochsah. Er tat es nicht; er ging auf dem schmalen Pfad zwischen der Burg und den Klippen weiter, betrunken singend. Hundert Fuß tiefer und fast genau unter ihr öffnete er seinen Hosenlatz und

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