Darkover 17 - Die blutige Sonne
beiden Männern über die Knie gelegt. Kennard streichelte liebevoll ihren Lockenkopf, aber Kerwin zog sich verlegen zurück. Verdammt, legte das Mädchen es darauf an, ihn aus der Fassung zu bringen? Oder war sie nur naiv und machte es sich wie ein Kind zwischen Männern bequem, die für sie so neutral waren wie Brüder oder nahe Verwandte? Offensichtlich behandelte sie Kennard - und er sie -, als sei er ihr Lieblingsonkel, und es war nichts Herausforderndes in der Art, wie sie ihn berührte. Aber bei Kerwin tat sie es auf ein wenig andere Art, und er war sich des Unterschiedes bewußt und fragte sich, ob sie sich dessen bewußt war. Bildete er sich das alles nur ein? Wieder wurde Kerwin nervös wie in dem Augenblick, als Elorie ohne Ankündigung in sein Zimmer gekommen war, während er sich anzog. Verdammt, die Etikette einer telepathischen Gruppe war ihm immer noch ein Mysterium.
Elorie, Mesyr und Auster traten zusammen ein. Austers düsterer Blick forschte sofort nach Kerwin, und Taniquel richtete sich auf und zog sich ein bißchen von Kerwin zurück. Corus trat mit der Selbstverständlichkeit alter Gewohnheit an ein Schränkchen. »Was wollt ihr trinken? Das Übliche, Kennard, Mesyr? Neyrissa, was möchtest du haben? Elorie, ich weiß, du trinkst nie etwas Stärkeres als Shallan… «
»Heute abend doch«, fiel Kennard ein. »Wir werden Kirian trinken.«
Corus drehte sich überrascht um. Elorie nickte ihm bestätigend zu. Taniquel erhob sich und half Corus dabei, flache Kelche aus einer merkwürdig geformten Flasche zu füllen. Sie brachte Kerwin ein Glas, und sie fragte ihn nicht, ob er es haben wolle.
Die Flüssigkeit in dem Glas war hell und aromatisch. Kerwin sah, daß aller Augen auf ihm ruhten. Verdammt, langsam bekam er es satt! Er stellte den unberührten Kelch auf den Fußboden.
Kennard lachte. Auster sagte etwas, das Kerwin nicht verstand, und Rannirl murmelte stirnrunzelnd eine vorwurfsvolle Antwort. Elorie beobachtete sie mit schwachem Lächeln. Sie hob ihr eigenes Glas an die Lippen und nippte so eben an der Flüssigkeit. Taniquel kicherte, und Kennard explodierte:
»Zandrus Höllen! Das hier ist zu ernst für einen Scherz! Ich weiß, du machst gern Spaß, Tani, aber trotzdem… « Er nahm das Glas entgegen, das Corus ihm brachte, und starrte finster hinein. »Mir wird doch immerzu die Rolle des Schulmeisters aufgedrängt!« Er seufzte, hob den Kelch und sagte zu; Kerwin: »Dies Zeug - es ist kein reiner Kirian , falls du weißt, was das ist, sondern ein Kirian -Likör - ist nicht im eigentlichen Sinn eine Droge oder eine Stimulanz. Aber es senkt die Widerstandsschwelle gegen telepathischen Empfang. Du brauchst es nicht zu trinken, wenn du nicht willst, aber es hilft. Das ist der Grund, warum wir es alle nehmen.« Er nahm einen kleinen Schluck aus seinem Glas und fuhr fort: »Jetzt, wo du hier bist und Gelegenheit gehabt hast, dich ein bißchen auszuruhen, ist es sehr wichtig, daß wir dich auf Laran testen - daß wir herausfinden, wieviel von einem Telepathen du an dir hast, welche donas in dir liegen, welche Ausbildung du brauchen wirst, bevor du mit uns allen zusammenarbeiten kannst - beziehungsweise umgekehrt. Wir werden dich auf ein halbes Dutzend Arten testen. In einer Gruppe geht es besser. Daher… « - er nahm einen weiteren Schluck - »… Kirian .«
Kerwin zuckte die Schultern und hob sein Glas auf. Der Likör hatte einen stechenden Geschmack und einen merkwürdig flüchtigen Geruch. Er schien auf seiner Zunge zu verdunsten, bevor er ihn richtig schmecken konnte. Nach seinen Vorstellungen war das keine angenehme Art, sich zu betrinken. Es war mehr wie das Inhalieren eines Parfums als das Trinken irgendeiner Flüssigkeit. Ein vages Limonen-Aroma war dabei. Vier oder fünf Schlucke leerten das Glas, aber man mußte sie langsam nehmen, weil die Dämpfe einfach zu stark waren, um das Zeug wie einen gewöhnlichen Drink hinunterzukippen. Kerwin stellte fest, daß Corus das Gesicht verzog, als sei ihm der Geschmack sehr zuwider. Die anderen waren offensichtlich daran gewöhnt; Neyrissa ließ den Likör in ihrem Glas kreisen und atmete die Dämpfe ein, als handele es sich um einen köstlichen Brandy. Kerwin kam zu dem Schluß, daß der Geschmack daran mit der Gewöhnung kommen mußte.
Er leerte den Kelch und setzte ihn ab.
»Und was geschieht jetzt?« Zu seiner Überraschung rollten ihm die Wörter mühsam über die Zunge. Er hatte einige
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