Darkover 20 - Das Schwet des Aldones
meines Vaters Kind. Auch nicht das meines Bruders. Es war meins. Mein Fleisch und Blut.
»Wer war ihre Mutter?« fragte ich leise.
»Du wirst dein ganzes Leben lang glücklicher sein, wenn ich es dir nicht sage.«
»Ich kann es ertragen! Irgendeine leichte Person aus Carthon oder Daillon?«
»Nein.«
Das Kind murmelte etwas, regte sich und öffnete die Augen. Ich machte einen Schritt auf sie zu - und wandte mich dann mit flehentlichem Bitten an Ashara. Diese Augen, diese Augen, goldgefleckter Bernstein… »Marjorie«, stieß ich heiser, schmerzlich hervor, »Marjorie starb, sie starb… «
»Sie ist nicht Marjorie Scotts Tochter.« Asharas Stimme war so klar, kühl, mitleidlos. »Ihre Mutter war Thyra Scott.«
»Thyra?« Ich bekämpfte den wahnsinnigen Impuls zu lachen. »Thyra? Das ist unmöglich! Ich habe nie - ich hätte nie auch nur die Fingerspitzen dieser Teufelin berührt, ganz zu schweigen...«
»Trotzdem ist es dein Kind. Und Thyras. Die Einzelheiten sind mir nicht klar. Da ist eine Zeit - ich bin nicht sicher. Vielleicht haben sie dich betäubt, hypnotisiert. Ich könnte es herausfinden. Es wäre nicht leicht, auch für mich nicht. Dieser Teil deines Geistes ist ein verschlossener und versiegelter Raum. Es kommt nicht darauf an.«
Ich biß die Zähne zusammen vor blinder Wut. Thyra! Diese rote Unheilstifterin, Marjorie so ähnlich und so unähnlich, der perfekte Hintergrund für Kadarin! Was hatten sie mit mir gemacht? Wie…
»Es kommt nicht darauf an. Sie ist dein Kind.«
Es paßte mir nicht, aber ich mußte es glauben. Da setzte sich das Kind hoch, angespannt wie ein verängstigtes Tierchen, und es zerriß mir das Herz. Ich hatte Marjorie so gesehen. Klein, verängstigt. Verloren und einsam .
So sanft ich konnte, sagte ich: »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, chiya . Ich bin kein sehr hübscher Anblick, aber ich fresse keine kleinen Mädchen.«
Sie lächelte. Das spitze Gesichtchen war plötzlich bezaubernd; es war das Grinsen eines winzigen Gnoms mit Grübchen. In den Zähnen zeigten sich Zwillingslücken.
»Sie haben mir gesagt, daß du mein Vater bist.«
Ich drehte mich um. Ashara war gegangen und hatte mich mit meiner unerwarteten Tochter alleingelassen. Unbeholfen setzte ich mich auf den Bettrand. »Sieht so aus. Wie wirst du genannt, chiya? «
»Marja«, antwortete sie scheu. »Ich meine Marguerhia… « Sie sprach den Namen, Marjories Namen, in dem merkwürdigen alten Dialekt aus, den man zuweilen noch in den Bergen hört. »Marguerhia Kadarin, aber ich bin einfach Marja.« Sie erhob sich auf die Knie und musterte mich. »Wo ist deine andere Hand?«
Ich lachte verlegen. An Kinder war ich nicht gewöhnt. »Sie wurde verletzt, und man mußte sie abnehmen.«
Ihre bernsteinfarbenen Augen wurden riesengroß. Sie schmiegte sich an mein Knie. Ich legte den Arm um sie und hatte immer noch damit zu tun, es zu begreifen.
Thyras Kind. Thyra Scott war Kadarins Frau gewesen - wenn man es so nennen konnte. Aber jeder kannte das Gerücht, nach dem er ein Halbbruder der Scotts war, Zeb Scotts Sohn von einem der halbmenschlichen Bergwesen. Hinten in den Hellers heiraten Halbgeschwister manchmal, und es war nicht ungewöhnlich, daß sie dann ein Kind adoptierten, dessen Eltern einer von beiden und ein Außenstehender waren. So vermieden sie die schlimmsten Folgen der Inzucht. Ich versuchte, den grauen Nebel zu durchdringen, der einen Teil der Sharra-Affäre in meinem Gedächtnis umgab. Diese Gedächtnislücke hatte ich nie sondiert - instinktiv hatte ich erkannt, daß dort der Wahnsinn lauerte.
Vielleicht war ich mit Aphroson betäubt worden. Ich kannte die Wirkung. Wer unter dem Einfluß dieser Droge steht, führt nach außen hin ein normales Leben. Er selbst weiß jedoch nichts davon, was er tut, und sein Gedankengang reißt zwischen zwei Atemzügen ab. Das Geschehen wird nicht im Gedächtnis gespeichert, sondern in symbolische Träume umgesetzt. Ein Psychiater, der sich berichten läßt, was in der unter Aphroson-Einfluß stehenden Zeit geträumt wurde, kann die Symbole entschlüsseln und dem Opfer sagen, was wirklich passiert ist. Ich hatte es nie wissen wollen. Ich wollte es auch jetzt nicht wissen.
»Wo bist du aufgewachsen, Marja?«
»In einem großen Haus mit vielen anderen kleinen Mädchen und Jungen«, erzählte sie. » Sie sind Waisen. Ich nicht. Ich bin etwas anderes. Die Hausmutter
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