Darkover 20 - Das Schwet des Aldones
optischer Nerv überladen wurde und versagte, sah ich die undeutlichen Symbole in der Matrix. Dann wurde ich blind und taub in dem Augenblick der Überladung, der immer schrecklich ist.
Nach und nach orientierte ich mich ohne äußere Sinne in dem Schirm. Mein Ich, auf astronomische Proportionen ausgedehnt, flog über unglaubliche Entfernungen dahin, durchquerte in Sekundenbruchteilen ganze Parseks und Galaxien subjektiver Raumzeit. Es kamen vage Berührungen von bewußten Wesen, Bruchstücke von Gedanken, Emotionen, die wie Schatten vorüberglitten - das Treibgut des mentalen Universums.
Dann sah ich das weißglühende Flackern im Schirm, bevor ich den Kontakt fühlte. Irgendwo hatte ein Wesen in das Muster gepaßt. Wir hatten ein Netz durch Zeit und Raum gezogen, und als wir auf ein passendes Exemplar trafen, zog sich das Netz zusammen.
Ich schwang hinaus, körperlos, zerteilt in eine Milliarde subjektiver Fragmente, ausgedehnt über einen weiten Abgrund der Raumzeit. Wenn irgend etwas passierte, würde ich nie wieder in meinen Körper zurückkehren, sondern auf ewig in der Raumzeit dahintreiben.
Mit unendlicher Vorsicht ergoß ich mich in den fremden Geist. Es gab einen kurzen, aber heftigen Kampf. Dann war er in mich eingebettet. Die Welt war ein Inferno von Schmelzglasfeuer und Farbe. Die Luft wand sich in kalten Flammen, und das Glühen auf dem Schirm war ein Schatten und dann eine schärfer werdende Dunkelheit und dann ein Bild, gefangen in meinem Geist, und dann…
Licht stach mir in die Augen. Ein Schlag erschütterte mein Gehirn, der Fußboden schaukelte, die Wände schienen zusammenzukrachen und sich wieder zu trennen. Callina wurde gegen mich geschleudert, als die Energonen die Luft und mein Gehirn versengten.
Halb gelähmt, aber bei Bewußtsein blickte ich zu Callina auf. Der fremde Geist war von meinem losgerissen worden. Der Schirm war leer.
Und zusammengesunken auf dem Fußboden lag unter dem Schirm ein schlankes, dunkelhaariges Mädchen.
9
Unsicher kniete Callina neben dem schlaffen Körper nieder. Ich beugte mich über sie.
»Sie ist doch nicht tot?«
»Natürlich nicht.« Callina hob den Kopf. »Das war fürchterlich, auch für uns. Wie muß es erst für sie gewesen sein! Sie ist im Schock.«
Das Mädchen lag auf der Seite, einen Arm über dem Gesicht. Weiches braunes Haar verbarg ihre Züge. Ich strich es behutsam zurück - und hielt inne. Meine Hand blieb vor Bestürzung auf ihrer Wange liege.
»Es ist Linnell«, würgte Callina hervor. »Linnell!«
Auf dem kalten Fußboden lag das Mädchen vom Raumhafen, das Mädchen, das ich in meinen ersten verwirrten Augenblicken in Thendara gesehen hatte.
Obwohl ich doch wußte, was geschehen war, fürchtete ich, wahnsinnig zu werden. Die Transition hatte auch von mir ihren Zoll gefordert. Jede Faser meines Körpers schmerzte.
»Was haben wir getan?« stöhnte Callina. » Was haben wir getan? «
Ich hielt sie fest. Natürlich, dachte ich; natürlich. Linnell hielt sich nicht weit entfernt auf, sie stand uns beiden nahe, wir hatten heute nacht beide von Linnell gesprochen und an Linnell gedacht. Und trotzdem…
»Du kennst Cherillys Zwei-Punkte-Gesetz?« Ich versuchte, es in einfache Worte zu kleiden. »Für alles, ausgenommen eine Matrix, gibt es irgendwo ein genaues Duplikat. Dieser Sessel, mein Mantel, der Schraubenzieher auf deinem Tisch, der Trinkwasserbrunnen in Port Chicago - alles, was im Universum existiert, hat ein exaktes molekulares Duplikat. Nichts ist einmalig, außer einer Matrix, aber es gibt keine drei gleichen Dinge im Universum.«
»Dann ist dies - Linnells Zwilling?«
»Mehr als das. Nur einmal in einer Million Jahren oder so sind Duplikate auch Zwillinge. Dies ist ihr wirklicher Zwilling. Die gleichen Fingerabdrücke. Die gleichen Retina-Muster. Die gleichen Betagramme und Blutgruppen. Wahrscheinlich wird sie in ihrer Persönlichkeit Linnell nicht sehr ähneln, weil die Duplikate von Linnells Umgebung über die ganze Galaxis verstreut sind. In Fleisch und Blut sind sie jedoch identisch. Sogar die Chromosomen dieses Mädchens sind identisch mit denen Linnells.«
Ich faßte das Handgelenk des Mädchens und drehte es um. Das eigentümliche Matrix-Siegel der Comyn zeigte sich dort. »Ein Muttermal«, sagte ich. »Die Wirkung in ihrem Fleisch ist identisch. Verstehst du?«
Ich stand auf. Callina starrte und starrte. »Kann sie denn in dieser
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