Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
machen, war damit auch Dyan Ardais, sein Freund aus Kindertagen und Marillas Sohn, in eine unangenehme Lage geraten, was die Beziehung der beiden belastete. Mikhail wusste jedoch, er konnte sich auf Dyans Loyalität verlassen, und während er schweigend seine Verbündeten zählte, schöpfte er ein wenig Mut.
Seit Jahren schon hallten die Wände des Kristallsaals regelmäßig von lautstarken Auseinandersetzungen wider – meist ging es um Mikhail und dessen Stellung als designierter Erbe von Regis. Sein Onkel hatte den Comyn immer weniger im Griff gehabt, und die sich verschlechternde Lage hatte zu seinem wachsenden Unbehagen beigetragen. Obwohl Mikhail nie etwas getan hatte, um Regis’ Herrschaft zu gefährden, hatte die bloße Tatsache, dass er die Macht dazu besaß, den Seelenfrieden seines Onkels gestört. Niemand außer ihm selbst, Marguerida und Istvana Ridenow schien das tatsächliche Ausmaß seiner Macht begreifen zu können. Und weder Beteuerungen noch Versprechen konnten seine Gegner im Rat davon überzeugen, dass er für keinen von ihnen eine Gefahr darstellte.
Mikhail weidete sich kurz an dem Gefühl, missverstanden zu werden. Wie Lew Alton ihm häufig erklärt hatte, beurteilten die Leute andere immer danach, wie sie selbst handeln würden. Seine Mutter und Dom Francisco sehnten sich nach Macht, und so waren sie überzeugt, bei Mikhail müsste es sich ebenso verhalten.
So viele harsche Worte waren im Kristallsaal gefallen, und nun tat sich zwischen den beiden Generationen ein wahrer Abgrund an Feindseligkeit auf. Mikhail fürchtete, daraus könnten bösartige und potenziell blutige Grabenkämpfe werden, sobald die Föderation ihre Präsenz auf Darkover beendete. Würde der Planet in einen Bürgerkrieg stürzen, wie es früher schon geschehen wag? Der Gedanke, er könnte für ein solches Ereignis verantwortlich sein, seine Mutter und Dom Francisco könnten die Waffen gegen ihn erheben, war beinahe unerträglich. Und obwohl er die Kräfte seiner Matrix nie in vollem Umfang ausprobiert hatte, wusste er mit beklemmender Gewissheit, dass er seine Feinde damit vernichten könnte, wenn er dazu gezwungen wäre.
Er hatte Regis’ Autorität nie dadurch herausgefordert, dass er vollständig erkundete, wozu seine Matrix fähig war. Stattdessen hatte er eine vorsichtige Gratwanderung unternommen, bei der er sorgsam darauf achtete, dass sich sein zunehmend ängstlicher Onkel nicht bedroht fühlen musste, während er gleichzeitig seine Selbstachtung zu wahren versuchte. Nun begann er zu verstehen, welchen Tribut dieser innere Konflikt von ihm gefordert hatte, und er fragte sich, ob er der Aufgabe, Darkover zu regieren, auch wirklich gewachsen war. Er hatte beinahe vergessen, wie man sich durchsetzte, und wünschte verzweifelt, er könnte sein jüngeres und weniger zweifelndes Ich wiederherstellen. Und das musste er, wenn Darkover überleben sollte!
Die Jahre waren nicht vergeudet gewesen. Beim Studium mit Istvana Ridenow hatte er das gewaltige Heilpotenzial seiner Matrix kennen gelernt. Das hatte Mikhail eine tiefe Befriedigung verschafft, bis er daran gescheitert war, seinen Onkel zu heilen. Er wusste, welche bemerkenswerten Leistungen Varzil Ridenow mit Hilfe der Matrix vollbracht hatte, und nahm an, dass er ähnliche Dinge tun könnte. Er fragte sich immer noch, wie der Mann den See von Hali von einer giftigen Kloake in seinen jetzigen eigentümlichen Zustand verwandelt hatte. Das Wissen darum, wie man diesen Energiewechsel bewirkte, wenn er denn möglich war, hatte sich Mikhail noch nicht offenbart. Aber es bedeutete zweifellos auch, dass Zerstörung möglich war, selbst während einer Heilung, und dieser Gedanke ließ ihn nicht ruhig schlafen. Die Aussicht, er könnte die Grenzen seiner Kräfte in naher Zukunft austesten müssen, stimmte ihn nicht eben fröhlich.
Mikhail rückte Marguerida den Stuhl zurecht, dann nahm er neben ihr Platz. Donal stellte mit ruhiger, zuversichtlicher Miene einen Kelch mit Apfelwein neben seine linke Hand. Der junge Regent wünschte, er besäße etwas von der offenkundigen Gelassenheit seines Neffen. Jetzt musste er sich nur noch der hervorragenden Meinung würdig erweisen, die sein junger Friedensmann von ihm hatte. Seltsamerweise machte ihm dieser Gedanke Mut und linderte seine endlosen Zweifel. Er dachte daran, dass Donal gesagt hatte, er habe Danilo Syrtis-Ardais studiert und sich zum Vorbild genommen. Das war sehr klug, denn Danilo strahlte immer Ruhe und Gelassenheit aus.
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