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Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters

Titel: Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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nichts versteht. Ich bin völlig anders erzogen worden als du!« »Erzähl mir davon, bitte.« Sie versuchte wieder ruhig zu werden. Sie konnte Giselas Vergangenheit nicht ändern, aber vielleicht fand sie einen Weg, ihrer Schwägerin zu einer besseren Zukunft zu verhelfen. »Auf Renney glauben wir, dass jeder Mensch einen Zweck hat, oder mehr als einen, und dass ein jeder verpflichtet ist, diesen zu entdecken. Wir wenden eine Menge vertrackter Rituale an, um herauszufinden, was einmal aus uns werden soll. Die Vorstellung, dass ein anderer beschließt, was wir aus unserem Leben zu machen haben, ist für mich nur schwer nachvollziehbar.« »Wie hast du zum Beispiel herausgefunden, dass du Malerin werden solltest?« In Giselas strahlenden grünen Augen lag ein freundliches Lächeln, und Kate zweifelte nicht daran, dass Herms Schwester aufrichtig an der Antwort interessiert war.
Die Spannung zwischen den beiden wich zum Teil.
»Ich habe drei Tage lang gefastet, und dann saß ich eine Nacht in einem kalten Wäldchen und wartete. Es war sehr unangenehm, aber es wurde von einem erwartet, also habe ich es getan.« Sie kicherte, nun viel gelöster. »Meine Zehen waren wie Eis, mein Magen knurrte, und stundenlang geschah überhaupt nichts. Ich dachte beinahe schon, alles wäre umsonst gewesen, da … passierte endlich etwas. Von einem Augenblick auf den anderen fror ich nicht mehr, und mein Kopf war voller Bilder von Menschen und Orten, die ich noch nie zuvor gesehen hatte.« Sie hielt inne und holte tief Luft. »Ich hatte schreckliche Angst und war gleichzeitig unendlich glücklich, das Herz hüpfte in meiner Brust. Ich saß einfach nur da und fühlte diese unglaubliche Sache, schließlich begann es zu dämmern, und das Licht drang durch die Bäume, warf lange Schatten und färbte die Baumstämme golden. Dann sah ich auf meine Hände hinab und entdeckte, dass ich in einer Hand einen Stock hielt und dass der Boden vor mir mit Kritzeleien bedeckt war, die ich gemacht hatte, ohne es zu bemerken, kleine Gestalten und Gebäude. Da wusste ich in meinem tiefsten Innern, was meine Bestimmung war, ich ging nach Hause und erzählte es meiner Nana, nachdem ich eine riesige Schüssel Eintopf gegessen und Magenschmerzen davon bekommen hatte.« »Deiner Nana?« »Der Mutter meiner Mutter.« »Das klingt ja sehr interessant, abgesehen von der Sache mit dem Fasten.« Gisela klopfte sich auf die Taille und seufzte.
»Und niemand hat gefragt, ob du dir sicher bist, oder gedacht, du hast das Ganze vielleicht nur erfunden oder so?« »Die Leute auf Renney glauben, dass Visionen ein Geschenk der Göttin in ihren vielen Erscheinungsformen sind, und an einer zu zweifeln wäre … unvorstellbar.« »Ich verstehe. Wie alt warst du, als das passiert ist?« »Zwölf.« Gisela seufzte. »Wir haben keine solchen Visionen hier auf Darkover, und ich fürchte, ich bin viel zu alt, um noch damit anzufangen. Aber es klingt wunderbar.« »Man ist nie zu alt, um mit etwas zu beginnen, Gisela. Hör auf, so zu reden, als wäre dein Leben schon vorbei. Du bist jünger als ich! Ich kenne eure Sitten hier nicht, aber was könnte es schaden, wenn du etwas tust, das dir aufrichtig Freude macht, anstatt nur herumzusitzen und … dich selbst zu bedauern.« Gisela zuckte zusammen. »Da haben wir’s. Wie bist du nur so klug geworden?« »Das bin ich gar nicht, aber wenn ma n seine Tage damit verbringt, Leute zu malen, sie auf Leinwand zu bannen versucht, entdeckt man sehr viel. Die Art, wie sie die Hände falten oder die Lippen schürzen, verrät einem etwas über sie, häufig etwas, das sie selbst lieber nicht wissen wollen.« »O h.« Gisela ließ schuldbewusst die Hände unter ihrem Mantel verschwinden, dann zuckte sie die Achseln. »Es ist wohl zu spät, deinem Blick zu entrinnen, hab ich Recht? Welche Erkenntnis hast du über meinen Charakter gewonnen, die ich deiner Ansicht nach lieber nicht wissen möchte?« »Bist du dir sicher, dass ich darauf antworten soll?« Gisela dachte kurz darüber nach. »Ich glaube, ja. Mein ganzes Leben lang war ich die Gisela anderer Leute. Ich war das Schoßtier meines Vaters, wenn er mich überhaupt bemerkte, und später seine Schachfigur. Ich war Ehefrau, dann Witwe und wieder Ehefrau – aber nichts davon scheint mit mir zu tun zu haben. Besser kann ich es leider nicht erklären.« »Du hast es gut erklärt. Ich sehe eine sehr intelligente Frau vor mir, die anderen Leuten im Grunde nicht gefallen will.« »Du meinst, ich bin

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