Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
»Hundertprozentige Sicherheit ist nur durch eine allgegenwärtige Präsenz der Polizeikräfte zu erreichen. Jeder anständige Bürger von Porterville wird einer erhöhten Kontrolle in allen Lebensbereichen aus tiefster Überzeugung zustimmen.«
Hinter dem Sheriff standen mehrere uniformierte Beamte. Ihre Mienen zeugten von grimmiger Entschlossenheit. Der einzige Zivilist befand sich am rechten Bildrand. Er hatte sich vom Fotografen abgewandt und war nur im Profil zu erkennen. Ich sah genauer hin.
Kein Zweifel. Es war mein Freund Howard. Seine sonst so ordentlich gescheitelte Frisur schien ein wenig in Unordnung geraten sein.
Das ›Abidias Asylum‹ in der Neal Street, eine seit Jahrzehnten leer stehende Nervenheilanstalt, war ein gewaltiger und unheimlicher Ort.
Obwohl es sich nur wenige hundert Meter vom Zentrum der Stadt entfernt befand, wähnte man sich in einer anderen Welt.
Ich spürte, wie die Atmosphäre des Ortes von mir Besitz ergriff.
Die Anstalt, ein Monolith aus längst vergangenen Zeiten, schien das Licht des Tages in sich aufzusaugen und tauchte die Umgebung in ein diffuses Grau. In den Bäumen der verwilderten Parkanlage sang kein Vogel. Die Stämme reckten ihre skelettartigen Äste wie verkohlte Knochen gen Himmel.
Die Häuser der Umgebung mit ihren vernagelten Fenstern und Türen vermittelten ein Gefühl der Verlorenheit. Und doch kehrte in regelmäßigen Abständen das Leben hierher zurück. Wenn auch nur für wenige Augenblicke.
Ich schaute auf die Uhr. Zwei Minuten vor zwölf. Ich spürte eine kaum wahrnehmbare Erschütterung unter meinen Füßen. Das Beben ließ die kahlen Äste erzittern. Nach ein paar Sekunden war die Umgebung wieder so still und leblos, als würde man eine verblichene Fotografie betrachten.
In einiger Entfernung schoss ein Polizeiwagen um die Kurve, stellte sich mit blinkenden Warnleuchten quer zur Fahrbahn und ließ gerade noch so viel Platz, dass zwei Busse passieren konnten. Die Busse, zwei silberne Ungetüme mit getönten Scheiben, hielten vor dem ›Abidias Asylum‹. Eine Gruppe adrett gekleideter Männer und Frauen stieg aus den Fahrzeugen und betrat mit federnden Schritten das verwahrloste Grundstück. Einige von ihnen winkten mir zu. Meine Anwesenheit schien sie nicht weiter zu erstaunen. Schon in der Vergangenheit hatte ich mich einige Male davon überzeugen wollen, dass unsere Gäste angemessen begrüßt wurden.
Das fröhliche Empfangskomitee verschwand im Dunkel des Gebäudes.
Die hüfthohen Gräser jenseits des Zaunes bewegten sich raschelnd, obwohl es absolut windstill war. Zwei ... drei ... schließlich ein halbes Dutzend Gestalten richtete sich auf. Sie mussten dort auf dem Boden herumgekrochen sein und verharrten jetzt wie eine Phalanx makabrer Vogelscheuchen auf dem Gelände des ›Abidias Asylum‹. Die Obdachlosen hatten ihre Posten bezogen. Sie wandten mir den Rücken zu und beobachteten regungslos den Eingang der Ruine.
Nach wenigen Minuten tauchte die Gruppe wieder auf. Die eleganten Männer und Frauen flankierten jetzt etwa 50 Personen. Die meisten von ihnen waren sehr aufgeregt, rissen erstaunt die Münder auf und deuteten auf jedes Detail der Umgebung. Aus der Distanz klangen ihre hektischen Stimmen wie das Gezwitscher eines Vogelschwarms. Die Menge stieg in die Busse ein.
Kaum hatten sich die Busse in Bewegung gesetzt, nahm ein schwarzer Cadillac ihren Platz ein. Drei Männer – Colin Petrescu in Begleitung von zwei Sicherheitsleuten – stiegen aus. Die Limousine raste wieder davon. Man hatte Petrescu junior die Hände auf dem Rücken fixiert. Er entdeckte mich und brüllte los. Sein Fluchen brach erst ab, als sich die Tür des ›Abidias Asylum‹ hinter ihm schloss.
Ich vernahm einen kurzen zischenden Laut von einem der Obdachlosen, und die Bewacher zogen sich zurück.
Ich war allein. Ich beschloss, noch ein paar Minuten zu warten, obwohl ich mittlerweile vermutete, dass ich möglicherweise das Opfer von Victor von Zernecks ganz speziellem Altmännerhumor geworden war.
Plötzlich öffnete sich die Tür der verlassenen Nervenheilanstalt, und eine Gestalt in einem grauen Mantel trat ins Freie. Zögerlich und nach allen Seiten Ausschau haltend wie ein verängstigtes Tier.
Ich trat in den Schatten eines Gebäudes und wartete ab. Die fremde Person lief zum Zaun und rüttelte am verschlossenen Tor. Ich hörte sie schluchzen. Und dann formte sich aus den verzweifelten Lauten ein einziges Wort: »Melinda!«
Noch einmal. Beinahe
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