Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Mann, den er Marcus nannte. Das Thema war Clusterphysik …«
Seufzend werfe ich einen Blick auf den Stapel im Loch. Es wird Wochen dauern, bis ich alles gelesen habe. Gerade will ich mich bequem hinsetzen, als mich plötzlich ein seltsames Geräusch aufhorchen lässt. Es klingt wie das Maunzen einer Katze. Ich lausche. Auf der Straße fahren Autos vorbei. Im Treppenhaus fällt eine Tür ins Schloss. Dann erklingt erneut das seltsame Geräusch …
Ich muss spontan lachen. Ich bin so aushungert und müde, dass ich vor dem Knurren meines eigenen Magens erschrecke. Ich brauche dringend etwas zu essen und Schlaf. Doch wo kann ich hingehen? Nach Hause zu Camilla und Dorothy? Auf keinen Fall. Es gibt nur einen Ort, an den ich gehen kann. Ich packe Reggies Tagebücher in den Rucksack, schleiche mich vorsichtig aus der Wohnung und mache mich im Schutz der Nacht auf den Weg zur Stadtbibliothek.
Es ist schon dunkel geworden und seltsam still auf den Straßen in der Umgebung der Bibliothek. Ich lauere in einem Durchgang neben einem Schreibwarenladen und betrachte die Art-Deco-Fassade. Nirgendwo brennt Licht. In diesem Moment kommt mir das Gebäude düster und bedrohlich vor. Hat sich das Haus verändert? Seltsam.
»Meine Nerven«, rede ich mir ein und versuche, mich zu beruhigen.
Wenn sie davon ausgehen, dass ich tot bin, sollte es in der Bibliothek sicher sein. Mit einem hastigen Satz überquere ich die Straße, umrunde das Gebäude an den verrosteten Müllcontainern vorbei in die Schatten der Rückseite. Mein Schlüssel passt. Auch wenn ich den Hinterausgang so gut wie nie benutzt habe, weiß ich intuitiv, wo sich der Lichtschalter befindet. Ich berühre ihn, betätige ihn jedoch nicht. Ich stehe in der Dunkelheit und lausche … Alles scheint ruhig und in Ordnung zu sein. Ich beschließe, das Licht aus zu lassen und vertraue auf meinen Orientierungssinn. Als erstes schleiche ich in mein Büro. Es scheint nicht durchsucht worden zu sein. Wie ein stummes Mahnmal hängt Stewart Falkners Bild an der gegenüberliegenden Wand. Nur zu gut verstehe ich ihn jetzt. Er war nicht wahnsinnig. Ganz im Gegenteil.
Wohin jetzt? Ich brauche einen sicheren Platz zum Schlafen und etwas zu essen. Welcher Tag ist heute? Ich muss auf die Uhr sehen. Ein grimmiges Lächeln huscht über mein Gesicht. Es ist Freitag. Zwei Tage lang wird niemand die Bibliothek betreten. Erst Montag beginnen die Vorbereitungen für die Jules-Verne-Wochen und erst in zwei Monaten die für das Krimi-Festival. Zwei Tage lang wird es ruhig sein.
In der kleinen, muffigen Angestelltenküche will ich etwas zu essen besorgen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, als ich an die leckeren Törtchen denke, die Mrs. Johannsen im Kühlschrank gebunkert hat … der Kühlschrank. Verdammt! Wie konnte ich das vergessen?! Ich stehe in der Dunkelheit vor dem ›Frozen King‹. Seine verchromten Kanten funkeln verführerisch. Tor zur Unterwelt und Lebensretter in einem Gerät. Ich zögere. Mein Magen knurrt so laut, dass ich Angst habe, man könnte es außerhalb der Bibliothek hören. Mir ist schwindelig vor Hunger. Ich strecke die Hand aus und lege sie auf die Kante. Ich darf das Ding nicht öffnen! Ich darf nicht! Sobald das Licht in seinem Inneren angeht, wird auch an anderer Stelle in Porterville ein Licht angehen. Ein Warnlicht. Genau weiß ich das natürlich nicht, aber ich kann kein Risiko eingehen.
Martin »Verdammte Scheiße!«
Ich schlage mit der Faust auf den Deckel. Missmutig schnappe ich mir Sarahs altes Toastbrot, das im Regal auf mich zu warten scheint, und die zwei Dosen mit geschälten Tomaten, die wahrscheinlich Stewart Falkner vor Jahrzehnten dort abgestellt hat. Schnell weg, bevor ich’s mir anders überlege!
Ich laufe zwischen Bücherregalen und gusseisernen Wendeltreppen quer durch den Hauptraum zum Treppenhaus. Hinter dem Zeitungsarchiv im Keller gibt es einen Stauraum. Ich schließe die Tür auf und lasse mich auf die ausgemusterten Putzlappen fallen. Einzig der Hunger hindert mich daran, sofort einzuschlafen. Altes Bohnerwachs dünstet aus aufgeschichteten Plastikkanistern. Die Luft ist betäubend dick. Eine nackte Glühbirne hängt an einem unisolierten Kabel. Ich richte mich auf, knipse das Licht an und wende mich meiner Mahlzeit zu. Ich hätte nie gedacht, dass alte Dosentomaten und Toastbrot so köstlich sein können. Ich schlinge alles hinunter, sinke erleichtert mit dem Rücken an die Wand und räkele mich vor Behaglichkeit. Es kommt mir vor,
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