Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
festhält?«
»Richard ist der Highlord.« Sie machte einen kleinen Stich und zog den Faden durch den Stoff. »Er muss für nichts um Erlaubnis bitten.«
Alex sah Elizabeth’ Stickbild an, das einen Engel über einer jungen Maria zeigte. »Das ist eine ziemlich mittelalterliche Einstellung.«
»Ich wurde im Mittelalter geboren«, sagte Elizabeth. »Erzählen Sie mir von den Tests, die Sie bisher durchgeführt haben.«
Alex fasste die wenigen Informationen, die sie aus den Tests gewonnen hatte, in möglichst einfachen Worten zusammen. »Richards Blutzusammensetzung ist höchst anormal, selbst für einen Darkyn.«
Goldene Augenbrauen hoben sich. »In welcher Weise anormal?«
»Die roten Blutkörperchen der Menschen sind nicht genauso aufgebaut wie die anderen Arten von Zellen. Sie sind so gemacht, weil sie eine besondere Aufgabe erfüllen. Aber die roten Blutkörperchen der Kyn sind eukaryotisch.« Alex sah den leeren Gesichtsausdruck und fügte hinzu. »Sie haben einen Zellkern. Menschliche Blutzellen nicht.«
»Ich verstehe nicht, was das für eine Rolle spielt.« Die Frau hob eine Schulter. »Wir sind keine Menschen.«
»Wir waren aber Menschen.« Alex biss die Zähne zusammen und machte weiter. »Ich habe noch eine weitere Anomalie in Richards Zellen gefunden. Der Zellkern enthält Erbmaterial – wir bekommen es von unseren Eltern –, und es kontrolliert das Zellwachstum, den Metabolismus und die Fähigkeit, sich zu vermehren. Normale Menschen haben dreiundzwanzig Chromosomenpaare pro Zelle. Aus irgendeinem Grund haben die Kyn fünfundzwanzig. Die Tests, die ich bei Ihrem Mann gemacht habe, zeigen, dass er noch einen weiteren, zusätzlichen Chromosomensatz in seinen Blutzellen hat, der nicht zu den ursprünglichen fünfundzwanzig passt. Dadurch kommt er insgesamt auf fünfzig.«
»Wie schön.«
»Äh, nein. Nicht wirklich.« Die Frau wusste absolut nichts über Hämatologie oder Zellbiologie; so viel war klar. »Die zusätzlichen Chromosomen enthalten mehr Informationen, als sie sollten, und führen zu sehr ernsten körperlichen und mentalen Defekten. Wenn Richard ein Mensch wäre, dann hätte ich bei ihm eine sehr seltene Form der Polyploidie festgestellt. Aber so eine Art von Gendefekt führt zum spontanen Exitus bei dem Betroffenen, normalerweise schon im Mutterleib.«
Elizabeth sah auf. »Wie gut, dass er ein Kyn ist.«
»Sie verstehen das nicht. Ihr Mann befindet sich im Endstadium einer Mutation, die ihn hätte umbringen müssen, aber das hat sie nicht. Er ist kein Mensch und auch kein Kyn mehr. Ich weiß nicht, was er ist.« Sie ging auch noch die anderen ungewöhnlichen Aspekte durch, die die Tests ans Licht gebracht hatten, und beendete ihre Erklärungen mit einer etwas abgewandelten Wahrheit. »Mehr werde ich über Richards Zustand nicht herausfinden können, weil ich eine Chirurgin bin und keine Genetikerin. Er muss von einem Spezialisten auf diesem Gebiet behandelt werden.«
Elizabeth’ Hand legte den Stickrahmen beiseite, und sie saß da und starrte schweigend in die falschen Flammen des Spiegelkamins.
Sie ist seine Frau; natürlich regt sie das auf.
»Ich kann wirklich nichts tun, um ihm zu helfen«, sagte Alex. Es stimmte; sie hatte kein Mittel gegen den umfassenden genetischen Schaden, unter dem Richard litt. »Es ist mir egal, was er mir antut, aber er hat auch noch meinen Bruder entführt, der immer noch ein Mensch ist. Er hat gedroht, John zu quälen, wenn ich kein Mittel gegen seinen Zustand finde.«
Elizabeth nickte.
»Verstehen Sie das?«
»Ich bin die Ehefrau hier, nicht die Geliebte. Was ich denke oder will, ist irrelevant.« Sie nahm eine kleine silberne Schere aus ihrem Nähkorb und benutzte sie, um einen Faden abzuschneiden, der von ihrem linken Ärmel herabhing. »Sind Sie deshalb zu mir gekommen? Weil Sie mich als Verbündete brauchen, die sich auf Ihre Seite stellt?«
Erwischt.
»Ich möchte nicht, dass Sie sich meinetwegen zu weit aus dem Fenster lehnen, und ich will auch Ihren Mann nicht verärgern«, erklärte Alex vorsichtig. »Aber ja, ich brauche Hilfe. John ist schon einmal gefoltert worden, als die Brüder ihn in Rom bei sich hatten. Zusammen mit der Tatsache, dass seine Schwester jetzt Fangzähne hat und Blut trinkt, hat ihn das vermutlich für den Rest seines Lebens traumatisiert. Er ist kein Teil dieses Krieges, Elizabeth. Wenn Sie nur einen Hauch Anständigkeit besitzen …«
Geisterhafte Bilder erschienen hinter Alex’ Augen.
»… dann werden
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