Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
schmerzte nur für einen Moment, als es vorne in seinen Hals eindrang.
Bud dachte nicht viel in diesem letzten Augenblick. Er empfand nur Erleichterung und auch ein bisschen Zufriedenheit bei dem Gedanken, dass seine Mutter von jetzt an die Katzenklos selbst säubern musste.
Der ältere Mönch, der John Keller kurz vor Morgengrauen weckte, sah aus, als wäre er durch einen kleineren Hurrikan gelaufen. Seine Haare standen ihm in langen weißen Strähnen um sein faltiges Gesicht, seine Robe war verrutscht, und das einfache Kreuz, das er an einer Kordel um den Hals trug, hing ihm über die rechte Schulter. Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass seine buschigen Augenbrauen den Eindruck erweckten, als wollten sie sich in seinem Haar verstecken.
»Morgenandacht, Bruder, Morgenandacht«, sagte der alte Mönch mit munterer Stimme, während er John an der Schulter rüttelte. »Steh auf. Zeit für das Gebet. Nicht mehr schlafen.«
»Guten Morgen.« John war überrascht, dass Mercer offenbar von ihm erwartete, an den Stundengebeten teilzunehmen, aber er war hier Gast. Offenbar würde er siebenmal am Tag zu den Klosterandachten gehen müssen. »Ich brauche einen Moment, um mich anzuziehen.«
»Nimm das hier.« Der Mönch ließ eine Franziskanerrobe auf das Fußende des Bettes fallen und wackelte warnend mit dem Finger. »Vier Minuten. Singen. Beten.«
John fragte sich, warum der Mann so sprach wie ein Maschinengewehr. »Ja, Bruder.« Er wartete, bis der alte Mann gegangen war, dann hob er die Robe auf. »Das ist ganz schön aufdringlich, Mercer, selbst für deine Verhältnisse.« Er war nicht länger Priester, und er würde nicht so tun, als wäre er einer, nur um die Mönche nicht zu beunruhigen. Wenn seine Anwesenheit so wenig willkommen war, dann würde er Maurice’ Bruder anrufen und sich einen Job als Dachdecker suchen.
John hängte die Robe in den schmalen Schrank des Gästezimmers. Der Raum, in dem man ihn untergebracht hatte, war überraschend modern für ein Kloster, mit einem normalen Bett anstatt der üblichen Pritsche, die die Bewohner bekamen. Zwei weiß gerahmte Aquarelle von exotischen Paradiesvogelblumen hingen an den Wänden, die in einem hellen Weiß gestrichen waren. Ein Bücherregal mit einer Sammlung von wissenschaftlichen religiösen Studien und der stets präsenten Bibel stand neben einem Schreibtisch mit einem tragbaren Radio-CD-Player. Natürlich gab es keinen Fernseher, aber das Radio konnte einen über die Ereignisse in der Welt auf dem Laufenden halten. Es gab sogar ein Thermostat, mit dem er die Raumtemperatur regeln konnte, die die zentrale Klimaanlage des Klosters auf kühlen vierundzwanzig Grad hielt.
Das Gästezimmer wirkte persönlicher als die nackten Zellen der Priester oder die anonymen Hotelzimmer. Wenn er in Barbastro blieb, dann wusste John, dass er sich wohlfühlen würde.
Was wir wirklich gebrauchen könnten, wäre ein Prokurator , hatte Mercer gesagt. Du wärst ein toller Vermittler .
John wollte nicht wieder für die Kirche arbeiten, auch nicht in ziviler Funktion. Er zog sich die sauberste Hose und ein einfaches weißes T-Shirt aus seinem Koffer an und verließ dann das Gästezimmer und folgte den Glocken, die zur Morgenandacht riefen, in die Kapelle.
Die Brüder von Barbastro Abbey waren dort bereits versammelt und standen in zwei Reihen auf jeder Seite des langen Gangs, der zum Altar führte, wo Mercer die Morgenandacht hielt. Anders als in Gemeindekirchen gab es hier keine Bänke, nur niedrige, schmale Kniebänke, die an einer Wand aufgestapelt standen und von den Brüdern benutzt werden würden, wenn sie das Sakrament der Kommunion empfingen. Die Jahre des Verbrennens von Weihrauch und Kerzen prägten die kühle Luft in der Kapelle.
Ehrfurcht und Scham kämpften in John, während er sich an das Ende einer der Reihen stellte. Er konnte immer noch keine Kirche betreten, ohne die Macht des Glaubens zu spüren oder das Fehlen seines eigenen.
John beschloss, dass er einen lausigen Atheisten abgab. Ich glaube nicht länger an diesen leeren ritualisierten Unsinn, und doch bin ich hier, stelle mich zu den Jungs.
Als das Läuten der Glocken verstummte, begannen die Brüder, das erste Lied der Andacht zu singen.
Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla
Teste David cum Sibylla.
Es war lange her, dass John ein Lied auf Latein gesungen hatte, und dann auch nur, um seine Sprachkenntnisse weiter zu festigen, deshalb übersetzte er das automatisch in seinem Kopf. Tag
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