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Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)

Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)

Titel: Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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ein wunderschöner, unwirklicher Ort, und für ein ehemaliges Straßenkind aus Chicago so fremd wie der Mars.
    Mercer stieß ihn an. »Hast du es so schlimm gefunden?«
    John zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch mit dem Abt zu lenken. »Es ist ein Beerdigungslied, Mercer. Damit beginnen wir in den Rockies normalerweise nicht den Tag.«
    »Wir müssen hier mit vielen Problemen fertig werden«, erklärte der Abt, während er die Tür zum Speisesaal öffnete, wo die Brüder gemeinsam aßen. »Einige der älteren Brüder finden diese alten grässlichen Sachen tröstlich. Mir persönlich gefallen die Lieder von John Denver besser, aber ich kann nicht Gitarre spielen, und du hast mich ja singen hören.«
    »Allerdings, und ich habe dich ziemlich schief kreischen hören«, meinte John und schüttelte dabei den Kopf. »Bleib lieber beim Requiem.«
    Mercer nickte zufrieden. »Genau. So, ich werde dich jetzt bitten, das Tischgebet zu sprechen, also hör auf, so zu gucken, als würdest du auf Jalapeños beißen.«
    John setzte sich auf den leeren Platz rechts neben Mercer am Kopfende des langen Tisches. Der Abt blieb stehen und strahlte die Männer, die auf langen Bänken saßen, wie ein stolzer Vater an. »Guten Morgen, Brüder.«
    »Guten Morgen, Vater«, antworteten die Mönche einstimmig.
    John kam sich dumm vor, weil er nicht mitsprach, aber etwas an der Art, wie Mercer die anderen Mönche behandelte, störte ihn. Seiner Meinung nach benahm er sich gönnerhafter, als es hätte sein dürfen, aber vielleicht war das Mercers Art, seine Autorität im Kloster zu wahren.
    »Unser Gast, Bruder John Patrick, wird für eine Weile in Barbastro bleiben«, erklärte Mercer. »Ich möchte Bruder Ignatius gerne dafür danken, dass er Bruder John so freundlich aufgenommen hat« – er nickte dem säuerlich aussehenden Mönch zu, der John am Vorabend zu seinem Zimmer geführt hatte – »und den Rest von euch bitten, es genauso zu machen. Welchen Platz wir im Leben auch haben, wir sind alle Kinder Gottes, und wir dienen ihm als eine Familie.«
    Außer mir , dachte John. Kein Gott, keine Familie, kein Verlangen, irgendjemandem zu dienen, nicht einmal mir selbst. Was mache ich hier?
    Der Abt wandte sich an ihn. »Bruder Patrick, würdest du das Tischgebet sprechen?«
    John wäre beinahe aufgestanden und gegangen, doch er fand die Unhöflichkeit gegenüber den anderen schlimmer als seine eigene Hoffnungslosigkeit. Deshalb neigte er den Kopf und wiederholte mit monotoner Stimme eine der tausend Variationen des Segens, die er kannte. Es schien die ultimative Scheinheiligkeit, bei diesen Männern des Glaubens zu sitzen und für die Speisen zu danken, nachdem er so viele Monate allein gegessen und sich höchstens mal bei einer Kellnerin bedankt hatte, die ihm den Kaffeebecher wieder auffüllte oder ihm eine Flasche Ketchup brachte. Er hatte außerdem das Gefühl, als würde die Zeit nicht mehr verstreichen, sondern rückwärtslaufen, und befürchtete fast, dass gleich die schwarze Soutane wieder über seiner Straßenkleidung lag und jemand von ihm verlangte, die Messe zu lesen oder die Beichte abzunehmen.
    »Möge Gott uns vergeben, dass unser Geist schwach ist«, hörte John sich am Ende des Gebetes sagen. »Eine verwirrte Seele ist so dankbar wie ein ausgehungerter Hund.« Er hob den Kopf und sah, dass einige Brüder ihn anstarrten. »Amen.«
    Die Brüder wiederholten zögernd sein letztes Wort und fingen dann nach einer unangenehmen Stille an, das Essen zu verteilen.
    »Das war ziemlich interessant«, meinte Mercer, während er seine Kaffeetasse füllte und John die Thermoskanne reichte. »Was sagst du beim Abendessen? ›Selig sind die Serienmörder, denn sonst hätte der Teufel niemanden, den er quälen könnte?‹«
    »Wenn dir nicht gefällt, was ich mache«, antwortete John, »dann stell mich nicht auf die Bühne.«
    Das Frühstück bestand aus einer spartanischen Auswahl zwischen warmem Haferbrei, kaltem Müsli und Waffeln, denn die Franziskaner bevorzugten reichliches, aber einfaches Essen. Dennoch standen viele Früchte auf dem Tisch, und es gab auch schwarzen Tee und Orangensaft, was die langweiligen Hauptspeisen etwas aufwog.
    John erwartete, dass die Brüder beim Essen schweigen würden, wie es in den Klöstern üblich gewesen war, in denen er nach seiner schmachvollen Rückkehr aus Südamerika gelebt hatte. Mercer überraschte ihn, indem er ihm Fragen stellte und Gespräche über die Aufgaben anregte, die an

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