Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
steckte den Pfropfen wieder auf die Kristallkaraffe mit dem Whiskey. »Kein Bourbon mehr, Meryl. Dein Magengeschwür ist für diese Woche gestraft genug.« Er beugte sich hinunter, um sie auf die Wange zu küssen, überlegte es sich jedoch anders und richtete sich wieder auf. »Ich sehe dich dann morgen.«
Meryl wartete, bis Bradford gegangen war, bevor sie ihre Schreibtischschublade aufschloss und die Inventarlisten herausholte. In ihnen befanden sich detaillierte Listen über jedes Artefakt, das James Shaw von seinen Ausgrabungen mitgebracht hatte.
»Es muss bei den letzten aus Athos sein.« Sie blätterte durch die Listen und studierte die mit der Markierung SERIE A-G240. »Aber wo?«
Die Athos-Ausgrabung war die letzte, bei der James und sie vor seinem Tod zusammengearbeitet hatten. Als er den Ort erstmals vorschlug, hatte sie es für reine Zeitverschwendung gehalten.
»Wir werden kein Dorf finden; das ist mitten im Nirgendwo«, hatte sie protestiert, als ihr Mann ihr die Position des Fundes gezeigt hatte. »Vielleicht hatte da irgendein Verbannter eine Ziegenfarm, aber dort wurde sonst nie etwas gebaut.«
James bestand jedoch darauf, nach Athos zu gehen. Er war in einer Gebetsrolle aus einer anderen, renommierten Ausgrabung auf eine Textstelle gestoßen, in der ein Dorf erwähnt wurde, das mit einer heiligen Aufgabe betraut war. In der Rolle wurde angedeutet, dass die Dorfleute jedes Jahr mit den Göttern um die Gabe der Unsterblichkeit verhandelten. James war davon überzeugt, dass es um irgendeinen Gegenstand ging, und nach vielen Vergleichen mit anderen alten Texten fing er an, es für die griechische Version des Heiligen Grals zu halten.
»Man sagte ihnen, sie sollten jedes Jahr direkt nach der Ernte auf diesen unglaublich hohen Berg steigen. Wenn sie den Gipfel erreichten, brachten sie den Göttern die Hommage dar. Wenn die Götter wohlgesonnen waren, verwandelten sie die Hommage in ein mächtiges Symbol, das einem der Dorfleute ewiges Leben versprach.« Er lachte, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Ja, ich weiß, für dich ist das nichts weiter als ein Mythos. Aber die Hommage war real, körperlich. Selbst Hesiod erwähnt sie, beschreibt, dass sie nach der Transformation durch die Götter eine Quelle großer Macht und Schönheit war.«
»Das klingt wie eine frühe Version der Prometheus-Legende«, meinte Meryl und versuchte, ihr Temperament zu zügeln, »mit Unsterblichkeit statt Feuer. Was passierte mit dieser Hommage? Warum hörte das Ritual auf?«
»Das Übliche: gierige Götter gegen gierige Menschen. Es wurden zu viele Unsterbliche gemacht«, sagte James. »Der König der Götter wurde wütend auf die Macht, die sie über andere Menschen besaßen. Also sorgte er dafür, dass die Hommage das Blut der Unsterblichen in Gift verwandelte und dass ihre Berührung für normale Menschen tödlich wurde.«
»Ich schätze, aus den Haaren wurden Schlangen und ihre Gesichter so hässlich, dass ein Blick darauf einen in Stein verwandelte?«, wollte Meryl wissen. »Mein Gott, Darling, hör dir doch mal selbst zu. Du bist ein Wissenschaftler. Du kannst doch jetzt nicht ernsthaft anfangen, an Märchen zu glauben.«
»Du wirst schon sehen«, war alles, was James danach zu ihr sagte.
Von Anfang an war die Athos-Ausgrabung eine Aneinanderreihung von Katastrophen gewesen. Sie hatten Schwierigkeiten, Männer zu finden, die bereit waren, in der verlassenen Bergregion für sie zu arbeiten, da diese von den Einheimischen gleichzeitig als heiliger Boden und als das Tor zur Hölle selbst betrachtet wurde. Die Männer, die sie engagieren konnten, arbeiteten im Schneckentempo, verließen die Ausgrabungen in der Dämmerung und kehrten nicht zurück. Außerdem beharrte James darauf, jede Höhle zu untersuchen, die sie entdeckten, egal wie klein oder unbedeutend; und der Berg war durchlöchert davon.
Meryl hatte sich geweigert, zurück in die Staaten zu fliegen, als sie entdeckte, dass sie schwanger war. Ihre Familie hatte sie sofort enterbt, als sie ihre Verlobung mit James verkündete, also würden sie nichts mit ihr zu tun haben wollen. James war ein Waisenkind, also gab es auf seiner Seite niemanden, der ihr bei der Geburt hätte helfen können. Nach Chicago zurückzufahren hätte bedeutet, die nächsten sieben Monate allein in einem leeren Haus zu hocken.
Nein, James hatte ihr das Baby gemacht, und Meryl war entschlossen, bei ihm zu bleiben, bis es geboren wurde.
»Frauen auf der ganzen Welt arbeiten noch bis
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